Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
war den Aufwand nicht wert. Um ihre Kleidung war sie kaum besorgt. Sie hatte absichtlich eine naturfarbene Jacke über einem schlicht gemusterten Baumwollrock gewählt. Das Haar hatte sie locker im Nacken mit einer Spange zusammengefaßt. Was für ihre anderen Wochenenden gut genug war, mußte auch für dieses genügen. Gemma stieg aus. Sie ging langsam auf die Veranda zu und genoß nach der überheizten Luft im Auto das kühle Gefühl des Sprühregens auf ihrer Haut. Als Kincaid geklingelt hatte, wurde sie ruhiger und wappnete sich mit einem höflichen Lächeln.
      Im nächsten Moment flog die Tür krachend auf, und Gemma sah in die zwei fragenden blauen Augen eines Jungen mit widerspenstigem weizenblondem Haar und einem Hauch von Sommersprossen auf der Nase. Er trug ein verwaschenes Rugbyhemd, das mehrere Nummern zu groß war, Jeans und Socken, deren ursprünglich weiße Farbe nur noch zu ahnen war. In der rechten Hand hielt er ein Nutella-Brot.
      »Du bist bestimmt Kit«, begann Kincaid. »Ich bin Duncan, und das ist Gemma. Wir möchten zu deiner Mutter.«
      »Oh, ja. Hallo.« Der Junge lächelte. Sein zahnlückiges Grinsen eroberte Gemma im Sturm. Dann biß er ein großes Stück von seinem Brot ab und sagte kauend: »Kommt rein.« Er drehte sich um und ging den Korridor entlang, ohne auf sie zu warten.
      Sie traten sich die Füße auf der Türmatte ab und liefen hinter ihm her, als er hinter einer Biegung des Gangs verschwand. Als sie ihn eingeholt hatten, schrie er in ohrenbetäubender Lautstärke: »Mum!« und trat in ein Zimmer zu seiner Rechten.
      Gemma erfaßte flüchtig einen kleinen, mit Büchern und Akten vollgestopften Raum. Dann hielt eine Frau ihren Blick gefangen, die an einem Computer saß. Die Fingerkuppen ihrer langen, schmalen Hände ruhten auf der Tastatur, aber als Kit eintrat, schwang sie auf ihrem Bürostuhl herum und sah sie überrascht an.
      »Duncan! Ich habe die Klingel gar nicht gehört. Sie funktioniert nicht richtig.«
      »Sie macht leise >Ping<, aber ich kann’s immer hören«, erklärte Kit und setzte sich auf die einzig freie Ecke auf dem Schreibtisch seiner Mutter.
      »Ist auch egal. Ich bin froh, daß ihr hier seid«, sagte Vic lächelnd. Sie nahm ihre Hornbrille ab und stand auf. Sie war etwas kleiner als Gemma, schmal und feingliedrig, mit schulterlangem blondem Haar und einem zarten, ungeschminkten Gesicht. Sie trug einen langen, auberginefarbenen Pullover, schwarze Leggins und - dachte Gemma - hätte auch in einem Müllsack elegant ausgesehen.
      »Sie sind vermutlich Gemma«, sagte Vic und hielt ihr die Hand hin. Er hatte also vorher angerufen und sie informiert, dachte Gemma, als sie Vics kühle, weiche Finger umfaßte. Sie warf Kincaid einen Blick zu und war nicht überrascht, als sie sein selbstgefälliges Grinsen sah. Dem gemeinen Kerl machte die Sache offenbar Vergnügen. Plötzlich wünschte sie, sie hätte sich zumindest die Haare gekämmt und ihren Lippenstift aufgefrischt.
      »Kommt ins Wohnzimmer«, schlug Vic vor. »Kit und ich haben Tee und Gebäck für euch vorbereitet. Ich muß nur noch Wasser aufstellen. Dauert keine Minute.«
      »Aber Sie hätten sich nicht soviel Mühe zu machen brauchen«, protestierte Gemma und trat zur Seite, um Vic vorbeizulassen.
      »Es hat uns Spaß gemacht - und war ein willkommener Vorwand, den Kuchen zu backen, den Kit so liebt. Wir haben nicht oft Gäste.« Vic führte sie den Weg zurück, den sie gekommen waren und durch eine Tür am anderen Ende des Korridors.
      Gemma folgte ihr und fand sich in einem gemütlichen, sehr bewohnt aussehenden Zimmer mit Polstersofa, Sesseln und Stehlampen wieder. Auf einem Beistelltisch lag neben einer Reihe Fotos in Silberrahmen ein ordentlicher Stapel Sonntagszeitungen. Am anderen Ende führte eine große Glastür in den regenfeuchten Garten.
      »Macht es euch gemütlich. Kit zündet das Kaminfeuer an. Nicht wahr, Schatz?«
      Kit zog eine angewiderte Grimasse und kniete vor dem Kamin nieder. »Wie oft soll ich noch sagen, daß du mich nicht so nennen sollst.«
      »Wups, ’tschuldigung.« Vic grinste vergnügt und sah plötzlich selbst wie eine Zehnjährige aus.
      »Kann ich helfen?« erbot sich Gemma wohlerzogen.
      »Nein danke. Wir haben alles unter Kontrolle. Kit hat versprochen, heute den Hausdiener zu spielen - als Belohnung dafür, daß ich Scones und Kuchen gebacken habe.« Vic legte eine Hand auf Kits Rücken und schob ihn sanft aus dem

Weitere Kostenlose Bücher