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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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seinen Teller.
      »Ich weiß nicht, wo das alles bei ihm bleibt!« seufzte Vic. »Es verschwindet einfach. Und wenn der Kuchen vertilgt ist, kommen noch Sandwiches und Scones dran.« Sie nahm ein Sandwich. »Hoffentlich mögt ihr Gurken.«
      Gemma nahm sich auch ein Sandwich, lehnte sich zurück, knabberte daran, während sie dem Geplänkel zwischen Mutter und Sohn zuhörte, und begriff immer weniger, daß die schlanke Vic mit dem sympathischen Lächeln jene gefühllose und gemeine Frau sein sollte, die Kincaid vor Jahren einfach verlassen hatte. Und sie begann sich zu fragen, ob sie nicht einige seiner Bemerkungen über Vic bewußt negativ ausgelegt hatte. Wußte sie überhaupt noch, was er wirklich über sie gesagt hatte?
      Jetzt hätte sie gern Vics Sichtweise der Dinge erfahren. Warum hast du ihn verlassen? dachte sie. Und warum hast du ihn auf diese Weise verlassen, so ganz ohne ein Wort? Das laut zu fragen war völlig ausgeschlossen. Aber während sie die beiden beobachtete, versuchte sie, sich Duncan und Vic zusammen vorzustellen, was mißlang, da sie Kincaid nur durch die eigene Brille sehen konnte.
      Vic hatte im Sessel ihr gegenüber Platz genommen, während Kit wie ein Vogel auf dessen Lehne hockte. Kincaid saß neben Gemma auf dem Sofa und balancierte seinen Teller auf dem Knie. Sie war sich seiner Wärme und Zuneigung so sehr bewußt, als berühre er sie, und sie fragte sich, was Vic wohl wichtiger gewesen sein mochte als dieses Gefühl.
      »Noch einen Scone, Gemma?« erkundigte sich Vic.
      Gemma schreckte aus ihren Gedanken auf und nahm sich vor, besser aufzupassen. »Tut mir leid, ich bringe keinen Bissen mehr runter. Danke. Es schmeckt alles köstlich.«
      Kit hatte gerade das letzte Stück Kuchen verdrückt. Gemma sah, wie Vic Kincaid ansah, und spürte ein stummes Verständnis zwischen ihnen. Dann sagte Vic: »Kit, wenn du fertig bist ...«
      »Ich weiß, daß du mich los sein willst«, erklärte er und sprang von der Armlehne. Es klang alles andere als unglücklich. »Du brauchst den Computer jetzt doch nicht, oder? Kann ich Dark Legions spielen? Bitte, bitte, Mammi?« flehte er grinsend und war schon sicher, daß er seinen Willen bekam.
      »Na gut«, gab Vic würdevoll nach. »Aber nur, wenn du zuerst meine Datei sicherst.«
      Kit beugte sich herab und gab ihr wie selbstverständlich einen Kuß auf die Wange. »Vorzüglicher Kuchen, Mum«, sagte er und lief aus dem Zimmer, bevor sie ihre Meinung ändern konnte.
      Als die Tür hinter ihm zufiel, seufzte Vic: »Ich weiß nicht, weshalb ich ihn ständig ermahne. Er kennt sich besser mit Computern aus als ich. Er ist derjenige, der mir hilft, wenn ich nicht weiterkomme.«
      »Die Illusion der Macht«, witzelte Kincaid.
      »Sie haben Glück. Er ist ein netter Junge«, warf Gemma ein und merkte, wie banal das klang. Vic lächelte trotzdem zufrieden.
      »Ich weiß. Es ist so ungerecht, was er im letzten Jahr durchmachen mußte.« Vic sah flüchtig zu Kincaid und dann wieder zu Gemma. »Hat er Ihnen von Ian erzählt?«
      Gemma nickte. »Tut mir leid für Sie.«
      »Braucht es nicht. Was mich betrifft jedenfalls. Und allmählich glaube ich, wegen Kit auch nicht. Ian war so kritisch - Kit muß das Gefühl gehabt haben, ihm nichts recht machen zu können.« Vic starrte nachdenklich in ihre Teetasse, sah dann zu Gemma auf und fügte leise hinzu: »Wissen Sie, was komisch ist? Nach so vielen gemeinsamen Jahren habe ich ihn nicht vermißt. Keinen Tag, keine Minute. Man sollte glauben, daß allein die Macht der Gewohnheit bewirkt, daß man einen Menschen vermißt. Aber ...« Sie stellte die Tasse auf den Tisch und lächelte. »Aber eigentlich wollten wir über was ganz anderes reden.«
      Kincaid griff in die Innentasche seines Sportjacketts, das er zu Jeans trug. »Ich habe dir die Notizen mitgebracht, die ich mir über die Akte Lydia Brooke gemacht habe. Ich dachte, du liest sie lieber selbst.« Er reichte ihr mehrere in der Mitte gefaltete Blätter. »Du verstehst, daß ich die Akte nicht mitnehmen konnte?«
      Vic nahm die Notizen wie ein kostbares Gut und hielt sie unter die Stehlampe, um besser lesen zu können. Sie studierte die Aufzeichnungen langsam und konzentriert, während Gemma und Kincaid schweigend warteten. Nur das Knistern des Kaminfeuers und das leise Trommeln des Regens an den Fensterscheiben waren zu hören.
      Schließlich sortierte Vic die Notizblätter in ihre ursprüngliche Reihenfolge

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