Debütantinnen - Roman
zu ihr, »haben sie die falsche Größe. Ihre Füße haben ausgesehen wie lange, schmale Boote. Wirklich äußerst ungewöhnlich.«
»Oh.«
»Was Sie da haben, meine Liebe, ist ein hübsches Paar alter Schuhe, die auf dem heutigen Mark vermutlich fünfzig Pfund wert sind. Oh, und einen ziemlich hübschen Karton.«
»Verstehe.«
»Möchten Sie die Leisten sehen?«, fragte er eifrig. »Sie werden nur ein paar Zimmer weiter gelagert. Sie sind mit unglaublichem handwerklichen Geschick gefertigt!«
»Ähm, nein. Das ist nicht nötig.« Sie steckte den Karton wieder in ihre Tasche.
»Sie wirken enttäuscht.«
»Ich … Ich dachte nur …« Sie unterbrach sich. »Es spielt wirklich keine Rolle.«
Er lehnte sich zurück und faltete die Hände. »Manche Menschen sind ein Rätsel, sie sind von einem Glamour umgeben, der die Phantasie erregt. Die Blythe-Schwestern waren solche Menschen. Sie waren die lebendige Verkörperung des Geistes einer romantischen, emotionsgeladenen Zeit zwischen den Kriegen. Sie sind nicht die Erste, die ihrem Zauber verfallen ist.«
»Nein.« Cate seufzte. »Vermutlich nicht.«
Er stand auf. Das Gespräch war vorbei.
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte. Aber hören Sie, geben Sie mir Bescheid, wenn Sie wieder einmal in London ausstellen. Und wenn Sie etwas sehen möchten, irgendeine Ausstellung, lassen Sie es mich wissen, dann besorge ich Ihnen gern Karten.«
»Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.«
Er öffnete die Tür.
Cate kam ein Gedanke. »Was ist mit ihrer Schwester?«
»Baby?«
»Ja. Könnten die Schuhe ihr gehört haben?«
Er runzelte die Stirn und zog dabei die Nase kraus. »Baby Blythe galt irgendwann als vermisst … Ich erinnere mich nicht genau … Es war kurz nach Kriegsausbruch.« Er zuckte die Achseln. »Ich meine, ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Schließlich weiß niemand, was aus ihr geworden ist. Alles ist möglich, und doch ist es unwahrscheinlich.«
Sam wartete auf Cate, um sie zurück in die Haupthalle zu bringen.
»Es macht süchtig, nicht wahr?«, meinte Theodore lachend und klopfte Cate auf die Schulter.
»Was meinen Sie damit?«
»Sobald das Sammlervirus einen mal infiziert hat, ist es schwer, wieder davon loszukommen − stimmt es nicht, Sam?«
Sam nickte. »Jedes Stück erzählt eine Geschichte.«
»Ja, ja, Sie haben vermutlich recht«, sagte Cate.
Mutlos trottete sie hinter Sam durch die Flure. Schon drängten die größeren, unlösbaren Probleme ihres eigenen Lebens sich wie dunkle Schatten am Rand ihres Bewusstseins, begleitet von dem vertrauten Gefühl einer Bedrohung.
Bevor sie sichs versah, waren sie wieder in der Modeabteilung mit ihren langen Reihen matt beleuchteter Vitrinen. Plötzlich blieb Sam stehen.
Cate schaute auf.
Sie standen vor einem schlichten, diagonal geschnittenen, rückenfreien Abendkleid mit Nackenband aus glattem, rosafarbenem Satin. Es war eng anliegend, sinnlich, fast fleischfarben. Seine Trägerin musste schmächtig gewesen sein, die Taille war schmal, doch um die Brust war das Kleid großzügig geschnitten.
Cate drehte sich zu Sam um. Ihre Augen sprühten.
»Dies ist ein Original von Vionnet«, flüsterte Sam. »Aus Paris.«
»Ja …?«
»Es hat Baby Blythe gehört!«
Cate betrachtete es noch einmal. Die Proportionen waren phänomenal, winzig und sinnlich zugleich.
»Es ist allerdings so«, fuhr Sam fort, »dass es nie offiziell bestätigt wurde. Dieses Kleid wird von einem Skandal umweht. Wir haben es von einer sehr unerwarteten Quelle erhalten.« Sie nahm Cate am Arm und zog sie näher zu sich. »Es geht das Gerücht, dass wir eine Hinterlassenschaft vom Rothermere-Gut bekommen haben. Lord Rothermere war einer der wichtigsten Berater Chamberlains während der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber er war auch ein leidenschaftlicher Jäger, er ging mit dem Prince of Wales auf die Fuchsjagd und besaß allein zu diesem Zweck ein ganzes Gut in Melton Mowbray. Die Hinterlassenschaft sollte aus Reitkleidung und Militäruniformen bestehen. Er hat sich wohl eingebildet, er wäre ein smarter Mann. Doch in einer der Truhen, versteckt in einem seidenen Kopfkissenbezug, fand sich dieses Kleid! Anscheinend roch es nach Parfüm − Worth, Je Reviens. Und«, sie beugte sich vor, »es war am Rücken zerrissen!«
»Ehrlich?«
»Es war ein Zettel dabei. › Ohne Limit. ‹ Unterzeichnet mit › B ‹ . Lord Rothermere war verheiratet und sehr sittenstreng und verklemmt. Und, glauben Sie mir, keine
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