Debütantinnen - Roman
liebste Wren,
dieses Alleinleben ist gar nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Anne kriegt es natürlich ganz famos hin, aber bei mir ist es hoffnungslos. Kleider zu waschen scheint zum Beispiel ewig zu dauern, und alles, was ich zustande bringe, sind Haufen klatschnasser, seifiger Wollsachen, die natürlich einlaufen, und dann sehe ich aus, als hätte ich mir statt eines Pullovers einen Strumpf über den Kopf gezogen. Und das Abwaschen ist noch schlimmer. Ich habe schon zwei Gläser zerbrochen und eine Teetasse angeschlagen, von der Anne sagt, ich müsse sie ersetzen, sonst wird unser Vermieter wütend. Kleine Staubmäuse huschen wie Steppenläufer über den Boden im Wohnzimmer. Ich habe praktisch geweint, als Mrs Lynd, die Reinemachefrau, heute kam. Ich habe mich wirklich noch nie im Leben so über jemanden gefreut!
Ich vergesse dauernd, etwas zu essen einzukaufen, und wenn, dann weiß ich nicht, wie man es zubereitet. Rührei soll doch nicht knusprig sein, oder? In dem Augenblick, wenn Anne das Haus verlässt, stürze ich mich wie ein ausgehungertes Tier auf das, was sie übrig gelassen hat. (Sie hat sich angewöhnt, ihr Brot und ihren Honig zu verstecken, und jetzt ist es echt ein Ding, es zu finden!)
Bei der Arbeit geht es voran. Ich bin von »Bestellungen einpacken und zur Post bringen« aufgestiegen und darf jetzt im Laden sein. Der alte Wächter kam neulich herein, um ein Buch mit dem Titel »Wellington: Der Mann und der Mythos« zu bestellen, das er, da bin ich mir ziemlich sicher, gewiss schon besitzt, das aber ziemlich teuer ist, um mir damit vor den Augen von Mr Thurberton einen hübschen Verkauf zu sichern. Dann schlug er ein wenig zögerlich vor, Anne und mich zum Mittagessen einzuladen. Nur weil wir vor ihm standen und zu ihm aufschauten wie zwei Welpen und uns nicht vom Fleck rührten. Wir gingen zu Lyons, wo er, glaube ich, noch nie im Leben einen Fuß hineingesetzt hat und wo er seine schlimmsten Befürchtungen über den Niedergang der modernen Zivilisation bestätigt fand. Natürlich waren Anne und ich zu sehr damit beschäftigt, unser Essen in uns hineinzuschaufeln, um uns um ihn zu kümmern, denn wir hatten nur eine kurze Pause, und wir haben sogar fürs Abendessen noch die Brötchen eingesteckt. DAW war entsetzt, steckte mir aber, bevor wir gingen, rasch noch eine Fünf-Pfund-Note zu. Er ist auf seine Art sehr lieb.
Nick habe ich kaum gesehen. Einige Kanadier sind in London, Freunde seiner Familie, die ihre Runde machen. Es gibt eine Tochter, Pamela, auf träge Art ziemlich hübsch. Wir haben uns gestritten, was schrecklich und ganz allein meine Schuld war. Die Situation ist einfach hoffnungslos. Ich bin durch und durch verzweifelt wegen des Ganzen. Ich verstehe einfach nicht, warum das, was für andere so leicht und unkompliziert ist, für uns unmöglich sein soll.
Übrigens ist Gloria in anderen Umständen. Pinky war drei Tage lang im Alkhoholkoma. Dickey Fellowes hat ihn schließlich im »106« unter einem Tisch gefunden, mit einem Chorknaben aus der Drury Lane. Man kann wohl behaupten, er ist außer sich vor Freude.
Deine
B
C ate drehte sich im Bett um, um dem grellen Sonnenlicht zu entkommen, welches das Schlafzimmer erfüllte. Rachels Vorhänge waren alte, ausgebleichte Baumwollstoffe mit Blümchendruck, zirka 1976, ungefüttert und im Sommer völlig nutzlos. Si e tastete auf dem Nachttisch nach dem Wecker und sah blinzelnd auf das Ziffernblatt. Es war schon nach neun Uhr. Rachel war am Morgen früh aufgebrochen, um ein paar Tage aufs Land zu fahren, wo sie Exponate zu bewerten hatte. Cate war allein im Haus, allein in London. Sie rollte sich auf den Rücken und schloss die Augen, denn sie sehnte sich danach, dass der Schlaf sie wieder ins Vergessen riss. Doch Schlaf wollte sich nicht einstellen. Gedanken, so unwillkommen wie das grelle Sonnenlicht, hielten sie hellwach.
Der erste Gedanke galt Jack, den Offenbarungen über seine Frau und ihrem Streit.
Sie verstand seinen Zorn.
Doch ihre Situation war anders.
War sie das?
Sie drehte sich auf die Seite und überlegte.
War sie das wirklich?
Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es besser war, keine Fragen zu stellen, denn das würde die ganze Affäre verderben. Jetzt kam ihr das absurd vor, unverantwortlich. Doch damals hatte sie sich eingeredet, es sei authentischer, ihn so zu nehmen, wie er war. Die Welt, in der sie miteinander lebten, war eine Welt nach Feierabend, eine nächtliche Existenz, getrennt von der
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