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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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fair? Dann hatte sie ihn eben betrogen, na und? Es wurde Zeit, sich eine Freundin zu suchen, ein Haus zu kaufen … neu anzufangen.
    Doch die Wunde war zu tief. Er hatte verloren, was zu verlieren er sich nicht leisten konnte: die Hoffnung, den grundlegenden greifbaren Glauben daran, dass die Menschen gut waren, und den Glauben an die Liebe.
    Hätte er es verhindern können? Dachten sie das?
    Die Worte auf der Karte schossen ihm durch den Kopf. Für immer.
    Er dachte an Cate.
    Gab es Für immer noch?
    So kreisten seine Gedanken, endlos, wie besessen, quälten ihn in den langen, ruhigen Tagen wie Wellen, die krachend gegen die Felsen schlugen, zermürbten ihn. Er unternahm nicht den Versuch, gegen die Flut anzukämpfen, und er gab es auch auf, es abschütteln zu wollen. Viel zu lange hatte er sich mit jeder Faser seines Daseins bemüht, den überwältigenden Gefühlen auszuweichen. Er konnte nicht mehr. Er gab auf. Dann stürzte er eben ab, taumelte in einen bodenlosen Abgrund, na und? Er hatte nicht mehr die Kraft, so zu tun, als wäre er normal. Und hier spielte es keine Rolle. Er war allein. Er konnte jeden Tag dieselbe Kleidung tragen, das Rasieren vergessen, etwas essen oder auch nicht, wie ihm der Sinn stand. Hier, in diesem verlassenen Haus, viele Meilen weit weg von irgendwo, konnte er verrückt sein, und niemand würde ihn hören, wenn er schreiend von einem Zimmer ins andere liefe.
    Endsleigh war so gewaltig wie sein Zorn und seine Angst und so wild und vernachlässigt wie seine Trauer.
    Also hörte er Renata Tebaldi ein ums andere Mal zu, wie sie »Un bel dí« sang, trank kalten Tee, wanderte von einem Raum in den nächsten, arbeitete gelegentlich ein wenig und legte sich ab und zu in das kühle, viel zu hohe Gras seitlich vom Haus, döste in der Sonne, erlaubte seinem Geist, sich für kurze Zeit von der sanften Brise und dem Vogelgezwitscher einlullen zu lassen.
    Als er am fünften Tag vor dem Haus vorfuhr, stand ein Auto in der Auffahrt, das er kannte.
    Rachel saß in Jeans, einer gepflegten weißen Bluse und flachen roten Ballerinas auf den Stufen vor dem Haus und rauchte eine Zigarette.
    »Es ist schöner, als ich es mir vorgestellt hatte«, sagte sie und stand auf. »Und das ist«, fügte sie hinzu, »mehr, als man von dir behaupten kann! Du hast wohl deinen Rasierapparat verloren, was?«
    Jack lachte, sprang aus seinem Kabriolett und schloss die Wagentür. »Was machst du hier? Bist du gekommen, um mir zu helfen?« Er trat zu ihr, legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie liebevoll. Es tat gut, sie zu sehen, sie duftete beruhigend nach Zigarettenqualm und Chanel No. 19. Er hatte gar nicht gemerkt, wie allein er gewesen war. »Ist Cate mitgekommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein Lieber, ich bin allein. Und, nein, ich bin nicht gekommen, um dir zu helfen, sondern um zu sehen, wie es dir geht.« Sie streckte eine Hand aus und fuhr ihm mit den Fingern sanft über die dunklen Bartstoppeln, die silbern schimmerten. »Es sieht so aus, als käme ich gerade noch rechtzeitig. Du erinnerst mich inzwischen ein bisschen an den Mann in den Bergen, mein Lieber.«
    Er nickte. »Ja.«
    Ihre Züge wurden weicher. »Das ist eine beschissene Zeit, jedes Jahr.«
    »Ja«, pflichtete er ihr noch einmal bei.
    »Ich habe eine tolle Idee. Zeig mir das Haus, und dann fahren wir irgendwohin zum Essen. Ich lade dich ein. Was sagst du? Ich rate nur, aber ich wette, du hast seit Tagen nichts Anständiges zu dir genommen. Habe ich recht?«
    »Wie gut du mich kennst!« Er lächelte und hielt dann inne. Sein Gesicht veränderte sich, wurde plötzlich ernst. »Paul … er ist im Sommer gestorben. Es ist auch für dich die Zeit, nicht wahr?«
    Sie zog ein letztes Mal genussvoll an ihrer Zigarette, warf die Kippe zu Boden und drückte sie mit dem Absatz aus. »Gut erinnert.«
    So standen sie einen Augenblick da und schauten über den Horizont aufs Meer. Es wehte ein Wind, doch der Himmel war wolkenlos, grenzenlos, und eine sengende, unverhüllte Sonne schien, unbarmherzig wie ein Auge, das weder blinzelte noch sich schloss.
    »Ich ertrage es kaum«, sagte sie schließlich trocken.
    Er nahm ihre Hand.
    Sie sah zu ihm auf. Die strahlende Rüstung verschwand, sie schien vor seinen Augen zu altern. In ihren Augen lag eine leere Hilflosigkeit, die er gut kannte.
    Er drehte den Schlüssel im Schloss und schob die schwere Eichentür auf. »Komm rein.«

* * *
    12 Birdcage Walk
    London
    30. Oktober 1936
    Meine

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