Debütantinnen - Roman
zu fragen, und das war quasi dasselbe.
Sie war beim Friseur gewesen und hatte in einer Ausgabe der New York Times geblättert, als sie auf ein Foto stieß. Da war er, den Arm entspannt um die schlanke Taille einer Frau gelegt: »Mr und Mrs Alexander Munroe.« Er begleitete sie zu einer Veranstaltung in der Metropolitan Opera. Groß und elegant, mit schimmerndem dunklem Haar, das ihr bis auf die Taille fiel, besaß sie die Haltung und das Auftreten einer Tänzerin. Sie trug ein dezentes, fließendes Seidenkleid in eleganten, verhaltenen Farben, die ihre dunkle Haut betonten. Anne Marie hieß sie. Sie war Französin. Sie existierte. Und die beiden waren ein schönes Paar. Es war weniger ein Schock als eine Beleidigung von Cates kindischen Phantasien.
Sie hatte die Zeitung sinken lassen. Und dann hatte sie sie natürlich wieder zur Hand genommen. Sie konnte nicht anders, immer wieder schlug sie die Seite auf und betrachtete das Foto. Die Wahrheit zu sehen hatte etwas Schmerzliches und gleichzeitig verrückt Befreiendes.
Sie verließ den Friseur, ging aber nicht nach Hause. Sie überquerte die Straße und betrat eine Bar, trank ein Glas und dann noch eines.
Der Spätnachmittag ging in den Abend über. Ihr Handy klingelte. Er war es. Er schickte ihr einen Wagen, um sie abzuholen.
Sie erinnerte sich daran, wie sie auf der Rückbank der Limousine gesessen hatte. Sie erinnerte sich an den Portier und an die Fahrt im Aufzug.
Doch was in der Wohnung passiert war, war verschwommen, unklar.
Sie hatte ihn angebrüllt, und sie wusste noch, dass sie geweint hatte. Es kam ihr vor, als hätte er versucht, sie zu trösten, als hätte er ihr versichert, dass er sie liebte. Doch sie hatte ihm nicht geglaubt. Sie hatte ihm gesagt, er wäre ein Feigling und ein Betrüger. Er wäre nicht einmal ein richtiger Mann. Sie hatte ihm die Kreditkarte vor die Füße geworfen. Sie wollte ihn nie wiedersehen.
Da packte er sie und schlug ihr mit Wucht ins Gesicht. Ihre Lippe platzte auf, ihr Mund füllte sich mit Blut. Und er riss sie zu Boden.
Hatte sie das gewollt? War irgendeine Reaktion von ihm besser als gar nichts? Er hatte an ihren Kleidern gezerrt, ihr den Rock hochgeschoben, sie zu Boden gedrückt. Selbst als sie sich gegen ihn wehrte, ihn boxte und nach ihm trat, war es gewesen, als schaute ein Teil von ihr aus einiger Entfernung zu. Je mehr Schmerzen er ihr zugefügt hatte, desto un wirklicher war es gewesen, als würde sie eine Rolle spielen, eine vorherbestimmte Rolle. Und war sie nicht feucht gewesen, als er in sie hineingestoßen hatte? Die Grenze zwischen Schmerz und Leidenschaft verwischte, Cate konnte den Unterschied nicht mehr benennen. Ein Teil von ihr hatte − gegen ihren Willen − reagiert, sich ihm entgegengedrängt, ihn an den Haaren gezogen, ihm auf die Lippe gebissen. Sie erinnerte sich, dass er ihr flüsternd ins Ohr gezischt hatte: »Du gehörst mir.« Und das stimmte. Sie war verloren. In der Abwesenheit von Liebe war alles recht, selbst Gewalt.
Als er mit ihr fertig war, stand er auf und verließ das Zimmer. Sie hörte das Plätschern der Dusche.
Da kroch sie langsam auf Hände und Knie und erhob sich zitternd vom Boden. Sie suchte ihren Mantel und ihre Handtasche.
Es stand kein Wagen bereit, um sie nach Hause zu bringen. Sie wanderte wie betäubt herum, bis sie schließlich die Geistesgegenwart besaß, ein Taxi herbeizuwinken.
Am nächsten Tag war sie nach London geflogen.
Und jetzt saß sie auf der Treppe von Rachels Wohnung, erledigt und wesenlos.
Die Geliebte .
Das Ganze war ein Schlag ins Gesicht − der Titel, die Tatsache, dass er das Bild verkaufte, dass es zu einer offiziellen Sammlung gehörte, die er gemeinsam mit seiner Frau besaß. Cate war auf jede erdenkliche Art und Weise abgewertet worden, doch statt zornig zu sein, war sie am Boden zerstört − als wäre dies der Höhepunkt einer gewissen emotionalen Wahrheit in ihrem Leben. Nie wieder würde sie jemandem wirklich etwas bedeuten. Sie war frei, ein Wegwerfartikel, und das war sie immer gewesen.
Kann man eine Geliebte überhaupt betrügen?, überlegte sie und kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Eigentlich nicht. Nicht mehr, als sie sich selbst betrogen hatte.
Er suchte nicht in den Straßen von London nach ihr. Sie war allein, allein mit einem Leben, das nicht funktionierte. Es war, als hätte sie geschlafen und wäre in einem endlosen Albtraum von einem Ereignis zum nächsten gewankt. Jetzt war es vorbei. Und alles, wonach
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