Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
Jude«, sagte Decker.
Ohne zu Zögern sagte Goldin: »Okay, wie wär’s, wenn Sie mal ’nen Augenblick reden, damit ich meinen Fuß aus dem Fettnäpfchen ziehen kann?«
Decker lächelte.
Goldin holte tief Luft. »Sie machen mir doch nichts vor?«
»Nein, Perry, bestimmt nicht.« Decker blätterte eine Seite in seinem Notizbuch um. »Warum, glauben Sie, hat Lilah Sie für ihre Rebellion ausgewählt?«
»Darüber habe ich schon oft nachgedacht. Vermutlich weil’s sich so ergab – ich war halt da. King hatte mich angeheuert, um Davida Bridge beizubringen. Ich ließ mich von Davidas Geld nicht einschüchtern, und ich glaube, das hat Lilah gefallen. Außerdem genoß Davida meine Aufmerksamkeit, und das war Lilah ein Dorn im Auge. Meiner Exfrau hat es großen Spaß gemacht, mich von Davida abzulenken. Zwischen den beiden herrschte ein erbitterter Konkurrenzkampf.«
»Konkurrenzkampf und Eifersucht«, sagte Decker.
»Sie haben’s erfaßt. Gegen Ende war Lilah davon überzeugt, daß ich mit ihrer Mutter schlafe. Egal was ich sagte oder tat – nichts konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Es war furchtbar.«
»Gab es auch gute Zeiten?«
Goldin wurde nachdenklich. »Am Anfang war es wunderbar. Wir haben viel darüber geredet, wie wir die Probleme der Welt lösen würden. Was man halt so tut, wenn man jung und idealistisch ist. Sie schien so engagiert, so voller Drang, etwas Gutes zu tun. Einmal sind wir sogar mit Greenpeace durch die Nordsee gesegelt, um die Sowjets am Walfang zu hindern. Auf dem Meer war es nur knapp über Null Grad. Wir haben uns alle den Arsch abgefroren. Doch Lilah hat es absolut genossen.«
»Erschöpfte sich darin ihr Altruismus?«
»Nein, ganz und gar nicht. Wir haben noch eine Menge Dinge in kleinerem Rahmen gemacht. Mäntel und Decken für die Obdachlosen gesammelt; wohltätigen Organisationen bei der Essensausgabe geholfen. Lilah hat sogar mal einen kunsthandwerklichen Kurs in einer Altentagesstätte gegeben. Eine ihrer Schülerinnen war eine Zeit lang eine ihrer besten Freundinnen. Es stellte sich heraus, daß die alte Dame aus Deutschland stammte und Lilahs Vater flüchtig kannte.«
Das ließ Decker aufhorchen. »Sie hat Hermann Brecht gekannt?«
»Flüchtig. Lilah war absolut fixiert auf ihren Vater. Hat ihn vergöttert, obwohl sie ihn kaum gekannt hat. Wir haben uns zusammen seine Filme angesehen. Ich hab ja nichts gegen Filme, die das Leben so zeigen, wie es ist. Aber seine Filme … auwei! Eine durch und durch negative und deprimierende Sicht des Lebens. Es überrascht mich überhaupt nicht, daß der gute Hermann Selbstmord begangen hat.«
»Können Sie sich an den Namen der alten Frau erinnern?« fragte Decker.
»Klar. Greta Millstein. Wie ich bereits sagte, sie hatten ein ziemlich enges Verhältnis. Greta war ganz anders – ziemlich unkonventionell –, und ich glaube, das gefiel Lilah. Sie behauptete, eine ihrer Töchter sei ihr von ihren jüdischen Nachbarn gebracht worden, bevor die nach Dachau geschickt wurden. Natürlich ist die Familie umgekommen, also hat Greta das Kind als ihr eigenes großgezogen. Vielleicht wollte sie sich bei mir einschmeicheln, weil ich Jude bin, aber ich hatte eigentlich keinen Grund, an ihr zu zweifeln.«
»Wissen Sie, wo sie wohnt?«
»Ich hab sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Ich weiß gar nicht, ob sie überhaupt noch lebt. Warum interessieren Sie sich für sie?«
»Weil sie Hermann Brecht gekannt hat. Und weil Lilah, wie Sie selbst sagten, von ihrem Vater besessen ist.« Decker blickte von seinem Notizblock auf. »Hat Lilah Ihnen gegenüber je die Memoiren ihres Vaters erwähnt?«
»Memoiren?« Goldin fummelte an seinem Bart herum. »Hermann Brecht hat Memoiren geschrieben?«
»Das versuche ich herauszufinden.«
»Wenn ja, höre ich das jetzt zum ersten Mal.«
»Hat Lilah mal angedeutet, daß ihr Vater ihr irgendwas testamentarisch vermacht hat?«
»Mir gegenüber nicht.« Goldin zuckte die Achseln. »Tut mir leid. Was hat das denn mit dem Überfall auf Lilah zu tun?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt was damit zu tun hat. Können Sie sich erinnern, wo Greta Millstein damals wohnte?«
»Im Valley. Ein Wohnblock inmitten von Wiesen und Bäumen. Ich möchte bezweifeln, daß es ihn noch gibt. Sicher hat irgendeine Immobiliengesellschaft ihn in die Finger gekriegt und ein Einkaufszentrum dahin gesetzt.«
»Wo im Valley, Mr. Goldin?«
»Ecke Fulton und Riverside. Die genaue Adresse hab ich nie gewußt, aber
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