Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
hervorgekehrt.«
»Beruhigen?« fragte Decker.
»Yeah, Sie wissen schon … ›Ich bin sofort da, Mrs. Sowieso. Atmen Sie immer weiter kräftig durch, und alles wird gut.‹ Ein wahrer Freund.« Goldin zuckte die Achseln. »Vielleicht war seine Freundlichkeit ja echt. Doch sobald er aufgelegt hatte, fauchte er mich oder seine Schwester oder seine Mutter an. Ein regelrechter Dr. Jekyll und Mr. Hyde.«
»Was ist mit den anderen Brüdern?« fragte Decker, während er schrieb.
»Von John hab ich nicht viel mitbekommen … er hielt sich für sich. John ist ebenfalls ein erfolgreicher Arzt. Wohnte in einem großen Haus in Palos Verdes. Sie wissen doch, daß er und King beide Gynäkologen sind. Man muß nicht Freud sein, um zu erkennen, warum beide einen Beruf gewählt haben, in dem sie Frauen dominieren können.«
»Davida?«
»Die große Ms. Eversong persönlich. Die Frau hat ein ungeheures Charisma – eine richtige Sirene. Wenn die ihre Wutanfälle kriegte, war ich nur noch ein zitterndes Häufchen Elend. Und ich war ja noch nicht mal ein Blutsverwandter. Wenn ich zurückblicke, denke ich, warum hab ich mir das nur gefallen lassen? Mein Selbstbewußtsein war zwar nicht so toll, aber so schlecht nun auch nicht.« Er seufzte. »Es war wegen Lilah. Sie hatte solche … Macht.«
Decker zog die Augenbrauen hoch. »Macht?«
»Sexuelle Macht, aber auch Energie. Sie sagte so verrückte Sachen, und ich hab ihr geglaubt, weil sie soviel Kraft ausstrahlte.«
»Was für verrückte Sachen?«
»Vorhersagen in die Zukunft. Lauter so Blödsinn.«
»Ist denn jemals was eingetreten, was sie vorhergesagt hat?«
»Als ich mit ihr verheiratet war, kam es mir so vor, als würde alles, was sie sagt, eintreten. Dann hab ich eines Tages, als ich echt sauer auf sie war, einige mathematische Berechnungen angestellt und ihr anhand von Zahlen bewiesen, daß ihre Vorhersagen genau dem entsprachen, was aller Wahrscheinlichkeit nach eintreten würde. Mann, hat die getobt. Danach hab ich nie mehr etwas zu ihren angeblichen Kräften gesagt.«
»Also war das alles Unsinn.«
»Warum fragen Sie?« sagte Goldin. »Hat sie Sie dazu gebracht, an ihre magischen Fähigkeiten zu glauben? Sie kann sehr überzeugend sein. Lassen Sie sich nicht täuschen.«
Decker ließ sich nichts anmerken, prägte sich aber Goldins Worte gut ein. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln.
»Was hatten Sie für einen Eindruck von Frederick Brecht?«
»Der kleine Freddy. Er war ein bedauernswertes Kind, als ich Lilah heiratete. Wurde total von Davida dominiert – und von Kingston und Lilah. Der arme Kerl hatte nie eine richtige Chance.« Goldin hielt inne. »Ich hab gehört, er ist auch Arzt geworden.«
Decker nickte.
»Das ist gut. Vielleicht hört Davida jetzt auf, ihn zu drangsalieren. Sie war immer gegen ihn eingenommen, weil er adoptiert war …«
»Freddy ist adoptiert?«
»Hat das was zu bedeuten?«
»Bin mir nicht sicher«, sagte Decker. Doch er schrieb ad optiert in sein Notizbuch.
»Die Familie hat kein Geheimnis daraus gemacht. Davida war über Vierzig, als Lilah geboren wurde. Ich nehme an, ihr verstorbener Mann wollte unbedingt einen Sohn, und Davida kriegte es nicht mehr hin. Deshalb Freddy.«
Er dachte einen Augenblick nach.
»Davida war nicht sonderlich nett zu ihm, aber Davida war eigentlich zu niemandem nett. Sie hatte starke Auseinandersetzungen mit King, der ja nun tatsächlich ihr Sohn war. King war damals das Oberhaupt der Familie – Lilahs Ersatzvater. Er verachtete mich, hat versucht, mich zu bestechen. Ich hab das Geld abgelehnt, und Lilah und ich haben zum allseitigen Verdruß geheiratet.«
»Was ist mit John Reed? Sie haben gesagt, Sie hätten von ihm nicht viel mitbekommen.«
»John war eigentlich ganz in Ordnung. Nicht daß wir jemals ein freundschaftliches Verhältnis gehabt hätten. Aber er war nicht in Davidas kleines Netzwerk verstrickt. Er hat wortwörtlich zu mir gesagt: ›Wenn du willst, daß eure Ehe funktioniert, sieh bloß zu, daß ihr von Mutter wegkommt.‹ Ich hab’s versucht, aber …«
»Davida kann einen ganz schön einschüchtern«, sagte Decker.
»Dann kennen Sie das also schon.« Goldin musterte Decker prüfend. »Die alte Dame hat sich an Sie rangemacht, was? Sie sind genau ihr Typ. Lilahs Typ im übrigen auch. Trotz ihrer kurzen Tändelei mit jüdischen Intellektuellen steht sie eigentlich auf große, draufgängerische Machotypen à la Clint Eastwood, nehmen Sie’s mir nicht übel.«
»Ich bin
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