Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
hätte mich wieder genommen – als Schüler oder als etwas Intimeres. Chemie ist Chemie. Es war die Hölle, mich zurückzuhalten.«
»Warum hast du es dann getan?«
»Weil ich mit einer anderen verlobt bin. Ob sie’s glauben oder nicht, ich wollte sie nicht verletzen.«
»Und Cheryl. Ihr weh zu tun hat dir nichts ausgemacht?«
»Ich habe gemeint, ich wollte Terry psychisch gesehen nicht verletzen. Was Cheryl betrifft, hätte ich sie niemals absichtlich körperlich verletzt.«
»Und unabsichtlich?«
»Hören Sie, vielleicht habe ich ihr etwas Schlimmes getan. Aber wenn ich das getan habe, erinnere ich mich nicht daran! Ich war sternhagelvoll, verstehen Sie das nicht?«
»Chris, du erinnerst dich, dass du den Nachtportier im Hinterzimmer beim Fernsehen gesehen hast, als du gegangen bist. Wie kannst du dich an den Nachtportier erinnern … und daran, was er getan hat … aber nicht an einen Mord, den du begangen hast.«
»Das Gehirn macht seltsame Sachen.«
»Du willst mir etwas verkaufen, aber ich kauf es dir nicht ab«, sagte Decker. »Was ist das Letzte, woran du dich im Hotel erinnern kannst?«
Whitman fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Kann ich noch ’ne Kippe haben?«
Decker gab ihm noch eine angezündete Zigarette.
»Danke.« Whitman nahm einen tiefen Zug. »Was weiß ich noch von dem Hotel? Ich weiß noch, dass wir im Zimmer Bumsfilme gesehen haben. Ich weiß noch, dass Bull Anderson mir einen Jack Daniel’s nach dem anderen eingetrichtert hat. Ich weiß noch, dass ich geil war, und ganz vage kann ich mich an Sex erinnern. Und wo Sie es gerade erwähnen, ich erinnere mich tatsächlich, wie ich weggegangen bin und Henry Trupp im Hinterzimmer vor dem Fernseher gesehen habe. Die Rezeption war nicht besetzt, als ich ging.«
»Erinnerst du dich daran, dass Cheryl dir gesagt hat, sie sei schwanger?«
»Ja, aber das war viel früher am Abend.«
»Wie hast du darauf reagiert?«
»Ich hab Ihnen schon gesagt, dass es nicht von mir war.«
»Und da warst du ganz sicher?«
»Ja, und das bin ich immer noch. Sicher genug, um Ihnen Blut und Sperma zu geben.«
»Erzähl weiter. Was weißt du noch von der Nacht im Hotel?«
»Das war’s eigentlich schon. Das Nächste, woran ich mich wirklich erinnern kann, ist, dass ich am nächsten Morgen mit diesen Kopfschmerzen aufgewa …«
»Was ist?«
»Nichts.«
Decker fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Chris, ich bin müde. Erzähl keinen Scheiß. Woran hast du dich plötzlich erinnert?«
»Ich glaube …« Whitman schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Ich glaube, es ist möglich, dass Terry mich angerufen hat. Ich bin mir nicht sicher, weil sie gleich wieder aufgelegt hat. Aber ich meine mich zu erinnern, dass ich von einem Anruf geweckt wurde. Sie könnte es gewesen sein.«
Decker fragte: »Um wie viel Uhr?«
Whitman zuckte die Achseln. »Drei, vier, fünf Uhr morgens. Wenn sie es war, wird sie es besser wissen als ich. Sie war ja nicht betrunken.«
»Hast du Cheryl an dem Abend gefesselt, Chris?«
»Wahrscheinlich … weil fesseln und ficken für mich routinemäßig zusammengehören.«
»Was mir im Magen liegt, ist der Mord. Es sei denn, der gehört für dich auch zur Routine.«
»Ich war voll wie ein Eimer. Ich kann mich nicht daran erinnern, Cheryl umgebracht zu haben. Genauso wie ich mich nicht erinnern konnte, dass ich mir ein Loch in den Bauch geschossen hatte. Und trotzdem war es so.« Whitman stand auf, hob sein T-Shirt hoch, schob den Hosenbund hinunter und zeigte auf einen kleinen weiß glänzenden Kreis direkt über dem Schambein. »Wo ich gerade beim Ausziehen bin, wollen Sie die Narbe von meiner Milzoperation sehen oder die Brandnarben von den Zigaretten …«
»Setz dich, Chris.«
Whitman setzte sich wieder hin. »Können wir jetzt aufhören? Auf mich wartet ohnehin noch ein Haufen Ärger. Mein Onkel ist nämlich in der Stadt. Er wird mich ans Kreuz nageln, wenn er rauskriegt, dass ich hinter seinem Rücken ohne meinen Anwalt mit der Polizei verhandelt habe.«
»Warum hast du’s dann getan?«
»Weil ich musste.« Er zeigte auf die Kamera. »Schalten Sie das verdammte Ding aus. Meine zehn Minuten Berühmtheit werden mir langsam zu viel.«
Decker ging zur Videokamera hinüber und schaltete sie aus. Dann setzte er sich neben Whitman. »Okay, Chris. Jetzt reden wir wirklich vertraulich. Erzähl mir, was passiert ist.«
»Sie glauben mir nicht.« Whitmans Augen erloschen. »Sie werden sich gegen den Deal aussprechen,
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