Decker & Lazarus 09 - Totengebet
mir davon erzählen?«
»Da gibt’s nichts zu erzählen. Damals war er schon Priester, hatte die Priesterweihe empfangen. Wir haben uns in einem koscheren Restaurant in der City getroffen. Mein Gott, haben die Leute uns angestarrt!«
»Und das war’s dann?«
Rina sah ihren Mann an. »Ja, Peter. Das war es dann.«
»Entschuldige!« Decker hob abwehrend die Hände. »Entschuldige bitte. Ihr habt euch also nur unterhalten?«
»So ist es.«
»Darf ich fragen, worüber ihr gesprochen habt?«
»Hauptsächlich über Rom, den Vatikan, die Kirchen, die Kunstwerke und die Gärten, die Villa d’Este. Er hat ausschließlich von Italien erzählt. War eine ziemlich steife Angelegenheit. Wir hatten uns nicht mehr viel zu sagen …«
Decker atmete innerlich auf. »Schätze, allzu viel hattet ihr sowieso nicht gemeinsam.«
»Zu diesem Zeitpunkt? Nein.« Sie lächelte gezwungen. »Sonst noch was, Liebster?«
»Nein.« Decker verkniff sich ein Lächeln. »Ich höre lieber auf, so lange ich noch eine Glückssträhne habe.«
»Ein guter Ratschlag für Spieler.« Sie küsste ihn, diesmal auf die Lippen. »Und ein noch besserer Tipp für neugierige Ehegatten!«
Während sie das Geschirr abwusch, dachte Rina über den jüdischen Begriff des »Ehefriedens« nach. Er wurde für so wertvoll gehalten, dass es ihr oder ihm gestattet war, alles in ihrer oder seiner Macht Stehende zu tun, um ihn zu wahren, auch wenn dazu geringfügige Abweichungen von der Wahrheit nötig waren.
Denn die Wahrheit war oft subjektiv.
Nach jenem steifen Essen im Restaurant hatte sie Bram nämlich sehr wohl noch einmal getroffen. Ungefähr ein Jahr später musste es gewesen sein. Aber es war dabei nichts geschehen, das sie Peter hätte erzählen müssen. Der Vorfall hätte ihn nur verärgert, vermutete sie.
Sie stellte das Geschirr in den Schrank, während sie dennoch voller Schuldgefühle an die peinliche Begegnung zurückdachte.
Sie hatte Bram zufällig im Supermarkt um die Ecke gesehen, hatte ihn von weitem beobachtet. Er war mit einer Gruppe von drei oder vier Priestern dort gewesen. Sie hatten einen sehr fröhlichen Eindruck gemacht, schienen sich blendend zu amüsieren, sich jung und ungebunden zu fühlen.
Sie erinnerte sich genau an Bram, wie er den Kopf zurückgeworfen und lauthals gelacht hatte. Rina hatte ihn nie so ungezwungen erlebt. Sie hatte beschlossen, ihn nicht anzusprechen, sich ungesehen aus dem Staub zu machen. In letzter Minute dann entdeckte er sie, löste sich aus der Gruppe seiner Begleiter und folgte ihr in den nächsten Regalgang.
Sie tauschten Höflichkeiten aus. Er sprach von seinem Erfolg in Rom, der Veröffentlichung seines Buchs, von seiner neuen Aufgabe als Priester einer Kirchengemeinde. Es sei eine große »Gemeinde«, erzählte er. Einflussreich. Sie freute sich für ihn und sagte ihm das auch, während sie einen günstigen Moment abwartete, ihm von ihrem eigenen Glück zu erzählen.
»Bram, ich glaube ich habe jemanden kennen gelernt.« Sie senkte den Blick, sprach leise. »Und ausgerechnet einen Polizisten.«
Als er nicht sofort reagierte, fühlte Rina, wie ihr Mut sank. »Ein Polizist«, sagte er schließlich und lächelte mit geschlossenen Lippen. »Eine gute Tat für den Öffentlichen Dienst?«
Rina wurde rot, drehte sich um und ging. Er war gemein. Sie konnte es nicht fassen. Natürlich lief er ihr nach.
Statt ihn zu beschimpfen, appellierte sie an sein Schuldbewusstsein. »Von allen Menschen, die ich kenne, dachte ich, dass du dich am meisten für mich freust!«
»Ich bin restlos begeistert«, sagte er tonlos.
Wieder ließ sie ihn einfach stehen. Und er heftete sich erneut an ihre Fersen, hielt sie am Arm fest. »Hier können wir nicht reden.« Er wurde rot, ließ ihren Arm los. »Kannst du gegen acht Uhr heute Abend zu mir kommen?«
Sie starrte ihn an. »Nein, kann ich nicht.«
»Wann kannst du kommen?«
»Niemals.«
»Rina!«
»Mein Gott, Bram, du bist Priester. Du weißt doch, wie sich die Leute das Maul zerreißen.«
»Ist mir egal.«
»Aber mir nicht. Ich muss an mich und an meinen Freund denken. An den Polizist. An meine gute Tat für den Öffentlichen Dienst!«
»Rina, es tut mir Leid. Ich hatte Yitzy sehr gern. Es kommt mir nur so früh vor, dass du …«
»Aus deinem Mund ist das eine sehr merkwürdige Bemerkung, Mister mit dem losen Mundwerk. Wie war das doch gleich? Du bist noch jung und musst dein Leben leben – das Leben ist kurz, also leben für den Augenblick! Waren das
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