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Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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entfremdet. Vergiss nicht, dass du nicht meine erste jüdische Frau bist.«
    »Was hat dich so entfremdet?«
    »Keine Ahnung, mein unabhängiger Geist. Vielleicht hat mir die Einstellung nicht gefallen, dass der Mensch als Sünder auf die Welt kommt. Ich habe nie akzeptieren können, dass Babys bereits als Sünder geboren werden. Dann, als ich von meinen jüdischen Wurzeln erfahren habe, wurde mir das alles noch fremder. Ich empfinde das jüdische Lebenskonzept sehr viel praktikabler, trotz all der Vorschriften. Dass der Mensch nicht nur dazu auf der Welt ist, Gott zu dienen und zu ehren, um gerettet zu werden, sondern um Gutes zu tun. Und das heißt doch, dass der Mensch im Grunde gut ist. Daran glaube ich ganz fest.«
    »Nach allem, was du gesehen und erlebt hast, ist das eine ziemliche Ehrenerklärung, die du da für die Menschheit abgibst.«
    »Gesehen habe ich das Schlimmste. Aber auch das Beste.« Decker lächelte. »War nett, dass du mit Sammy über Disneyland gesprochen hast. Diese Erinnerungen sind sehr wichtig für ihn.«
    Rina nickte.
    »Klingt wirklich, als hättet ihr eine schöne Zeit dort gehabt.«
    »Relativ gesehen, ja«, murmelte Rina. »Wir sind bis zum Schluss geblieben, haben die Lichterparade um Mitternacht gesehen. Ich weiß noch, dass ich dachte, wie wunderbar das aussieht, wie normal ich mir plötzlich vorgekommen bin.«
    Sie zögerte, den Blick in die Ferne gerichtet. Dann sah sie Decker an.
    »›Normal‹ im relativen Sinn. Ich war eine fromme Jüdin mit zwei kleinen Jungen, die die Kippa und Zitzit trugen und neben einem Priester in vollem Ornat standen. Außerdem lag mein Mann zu Hause im Sterben. Rabbi Schulman hatte sich bereit gefunden, den Tag über bei Yitzchak zu bleiben, damit ich mit Sammy an seinem Geburtstag nach Disneyland fahren konnte. Und der Rebbe war es auch, der Bram gebeten hatte, mich zu begleiten. Er fand, ich solle nicht allein fahren. Daran kannst du sehen, wie schlecht es um mich bestellt war. Rabbi Schulman musste mir als Schojmer, als Beschützer, schon einen Goj zur Seite geben.«
    »Darf ich dich fragen, wie er und Yitzchak eigentlich Freunde geworden sind?«
    Rina starrte auf ihren noch halb vollen Teller. »Bram hat ein Buch geschrieben. Er hat die Chumisch, die fünf Bücher Mose, das Alte Testament, wie ihr sagt, auf eine sehr katholische Art interpretiert, was sie ja sowieso schon immer getan haben.«
    »Sie? Die Nichtjuden. Oder sollte ich Gojim sagen?«
    »Goj ist kein negativer Ausdruck, Peter.«
    »Es ist nur die Art wie sie das Wort aussprechen, wenn sie Nichtjuden meinen. Es ist so ein Goj …«
    »Du willst mich provozieren und tust nur dir selbst weh«, schimpfte Rina. »Du solltest mich nicht unterbrechen, wenn du mich schon aushorchen möchtest.«
    Decker lachte. »Erzähl weiter. Bram hat also ein Buch über die hebräische Bibel geschrieben.«
    Rina dachte nach. »Bram war jung und sehr forsch. Offenbar ist er eines Tages in Rabbi Schulmans Büro gestürmt und hat ihm Fragen über den Talmud gestellt. Bram hatte Glück, dass er an Rabbi Schulman geraten war, der zu jedem freundlich ist.«
    Decker nickte. »Gelegentlich sogar zu freundlich.«
    »Vermutlich sogar sehr viel freundlicher, als Bram es verdient hatte. Der Rebbe war geduldig. Anstatt ihn abzuweisen, was wohl die meisten getan hätten, hat er eine Vereinbarung mit ihm getroffen. Es gibt ein Verbot, Nichtjuden den Talmud zu lehren. Der Rebbe hat sich dem entzogen, indem er Bram sagte, er würde Brams Fragen gern beantworten, sobald Bram die Chumisch beherrsche. Natürlich hatte Bram nicht mal annähernd diesen Wissensgrad erreicht.«
    »Ein guter Trick.«
    »Ein sehr guter Trick.« Rina lächelte. »Aber auch Bram war schlau. Er hat Rabbi Schulman geantwortet, er könnte die Chumisch nicht nach den Ansprüchen des Rabbi meistern, da er nicht wissen könne, wie wir die Chumisch lehrten. Also brauche er einen Chumisch-Lehrer. Rabbi Schulman konnte ihn nicht persönlich unterrichten, aber er wusste, dass Bram nicht aufgeben würde. Bram ist damals sehr ›überzeugend‹ gewesen.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Aber seine Hartnäckigkeit war nicht alles. Er hatte die Gabe, mit Worten zu spielen. Der Rebbe hat das sofort erkannt. Er beschloss daher, Bram zu einem seiner Studenten zu schicken, zu jemandem, dessen Emune, dessen Glaube eisern und über jeden Zweifel erhaben war. So hat er ihn zu Yitzchak geschickt.«
    »Und die beiden haben sich gleich verstanden?«
    »Nicht ganz.

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