Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Ich hab es dann gelassen … um Azors willen. Wenn sie ihm die letzte Ehre erweisen wollten, dann sollte es so sein.«
Michael kam zurück. »Bram kommt in einer Stunde. Es sei denn, du brauchst ihn sofort.«
Dolly dachte kurz nach. »Eine Stunde ist in Ordnung. Ich mache ein Nickerchen.« Sie stand auf. »Sonst noch was?«
»Nur noch ein paar Fragen, Mrs. Sparks. Ich versuche, Sie nicht zu ermüden.«
Sie setzte sich wieder.
»Wussten Sie, dass Ihr Mann diesen Motorradfreunden Geld für eine ihrer Kampagnen gespendet hat, Mrs. Sparks?«, wollte Decker wissen.
Ihr Mund wurde schmal. »Ja. Ging um irgendein Freiheits-Gesetz. Alle sollten frei sein. Wissen Sie was, Mr. Decker? Einige Leute sollten überhaupt nicht frei sein. Einige Leute sollte man für den Rest ihres Lebens einsperren, anstatt zuzulassen, dass sie Geld von naiven Wohltätern erbetteln.«
Insgeheim stimmte Decker ihr durchaus zu. »Sie hatten also das Gefühl, dass diese so genannte Bewegung nur eine Masche ist, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen?«
»Selbstverständlich ist das nichts als Betrug«, erklärte Dolly. »Aber es war Azors Geld. Mir hat es nie an etwas gefehlt. Er hat wunderbar für mich und die Kinder gesorgt. Hat der Kirche und der Klinik Geld gespendet. Ich denke, wenn er aus einer exzentrischen Laune heraus Geld verschleudern wollte … Es gibt schlimmere Laster, glauben Sie mir.«
Decker lächelte.
Dolly stand erneut auf. Diesmal schwankte sie leicht. »Ich bin wirklich müde, Mr. Decker.« Ihre Augen wurden feucht. »Vielleicht ein andermal.«
»Danke, Mrs. Sparks.«
»Keine Ursache.« Sie beugte sich zu Paul, der ihr einen Kuss auf die Wange gab. »Wann ist die erste Ratenzahlung für das Schulgeld fällig, Paul?«
Paul wurde rot. »In drei Wochen, Mom.«
»Bis dahin sollten wir diese Testamentsgeschichte hinter uns haben. Schick mir die Unterlagen zu. Dad hat dir was versprochen. Ich halte mich selbstverständlich daran.«
»Vielen Dank, Mom.«
Sie tätschelte ihm die Backe. »Bring mich in mein Zimmer – rauf, mein Kleiner«, sagte sie zu Michael.
»Natürlich.« Michael schüttelte Decker die Hand. »Wenn Sie was brauchen … wir sind immer für Sie da. Stimmt’s, Mom?«
»Richtig.« Sie machte einige Schritte, dann gaben ihre Knie nach. Michael packte ihren Arm. »Stütz dich auf mich, Mom!«
Decker folgte ihnen mit den Augen die Treppe hinauf, bis sie verschwunden waren. Einen Augenblick später hörte er, wie eine Tür geschlossen wurde.
»Sie ist erschöpft«, bemerkte Paul.
»Kann ich ihr nicht verdenken.« Decker strich sich über den Schnurrbart. »Sie scheint innere Stärke zu besitzen. Man muss schon über einige Energie verfügen, um sechs Kinder, und darunter noch Drillinge großzuziehen.«
Paul nickte.
»Kommen Sie mit Ihren Brüdern gut aus?«
Paul zuckte die Achseln. »Jedenfalls nicht schlecht. Da Luke und Bram eineiige Zwillinge sind, war es für mich immer schwierig, in Konkurrenz zu diesem genetischen Band zu treten.«
»Standen die beiden sich sehr nahe, als sie aufwuchsen?«
»Ja.«
»Haben sie miteinander gewetteifert?«
»Eigentlich nicht. Luke hat ziemlich früh erkannt, dass er keine Chance hatte.«
»Und Sie waren der Außenseiter?«
Paul starrte Decker an. Seine Augen blickten gelassen, seine Lider blieben unbewegt. »Warum interessieren Sie sich für uns?«
»Wie Michael schon sagte, interessiere ich mich für alles, was Ihre Familie betrifft. Ich finde es zum Beispiel erstaunlich, dass Luke und Bram sich um dieselben Frauen bemüht haben.«
»Sie meinen um dieselbe ›Frau‹, Einzahl. Soviel ich weiß, war Dana die einzige Frau, mit der Bram je ausgegangen ist.«
»Was ist zwischen den beiden vorgefallen?«
Pauls Lider zuckten. »Eine lange Geschichte, gehört längst der Vergangenheit an. Die beiden waren damals noch halbe Kinder, kaum siebzehn.«
»Ihre Mutter hat gesagt, Dana habe Bram verführt. Was ist passiert? War sie von ihm schwanger?«
Paul zögerte mit der Antwort. »Ganz so war es nicht. Luke hat sie geschwängert. Während sie Brams Mädchen war.«
»Oha.«
»Ja, es war …« Paul kratzte sich am Kopf. »Bram hat alles auf sich genommen, vor der Familie behauptet, es sei sein Kind. Er hat eine Menge erzählt, nicht wegen Dana oder Luke, sondern um sein eigenes Ego zu retten. Er wollte nicht wie ein Volltrottel dastehen.«
»Wieso hat er gewusst, dass es nicht sein Kind war?«
Paul lachte. Es klang traurig. »Es gibt nur einen Grund,
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