Decker & Lazarus 09 - Totengebet
gegenüber ihrem Vater noch aufgestaut hatten.
Paul sah auf die Uhr. »Ich rede zu viel. Passiert immer, wenn ich nervös bin.«
»Sie sind in meiner Gegenwart nervös?«
»Mein Vater ist ermordet worden, und ich weiß nicht weshalb. Im Augenblick macht mich jeder nervös.«
20
»Ich muss mit dir reden, Bram. Sofort!«
»Schieß los!«
»Nicht am Telefon.«
Bram schwieg. Die Stimme seines Bruders klang geradezu unheimlich ruhig, so als versuche er seine Panik zu verbergen. Der Priester massierte seine pochende Stirn. »Kein Problem. Komm in die Kirche.«
»Keine gute Idee. Lieber in dein Apartment. Sagen wir, in zehn Minuten?«
Es folgte eine lange Stille. »Was ist denn so dring …«
»Nicht am Telefon!«
Jetzt klang Panik aus der Stimme.
»Ich werde dort sein«, versprach Bram.
Am anderen Ende wurde aufgelegt. Bram stand auf, starrte auf das Kruzifix an der Wand. Dann kniete er kurz nieder, sprach ein »Vater unser«, bekreuzigte sich und griff nach seinem Jackett. Während er in seinen Taschen nach dem Schlüssel kramte, um die Tür zum Pfarramt abschließen zu können, kam Jim, der Priesterschüler.
»Pater, Mrs. McDougal hat gerade angerufen. Ihr Sohn Sean ist wieder ins Krankenhaus gekommen«, begann Jim. »Offenbar ist seine Leukämie wieder …«
»O nein!« Bram schloss die Tür ab und rieb sich die Augen hinter seiner Brille. »Welche Klinik?«
»St. Jerome’s«, antwortete Jim. »Hier ist die Zimmernummer und die Telefonnummer der Mutter. Sie scheinen beschäftigt zu sein. Soll ich sie für Sie anrufen, Pater?«
»Nein, das mach ich schon.« Bram nahm den Zettel. »Wenn sie wieder anruft, sag ihr, ich könnte in etwa einer halben bis Dreiviertelstunde dort sein. In Ordnung?«
»Soll ich wirklich nicht Pater Danner Bescheid sagen? Sie haben im Moment so viel …«
»Danke, aber die Antwort ist nein.«
»Sie sehen blass aus, Pater.«
Er fühlte sich schwach. Aber es war nichts, dem nicht mit etwas Orangensaft abgeholfen werden konnte. Er hatte noch nichts gegessen, sein Blutzuckerspiegel war vermutlich zu niedrig. »Mir geht’s gut, Jim. Danke für Ihre Fürsorge.« Er tätschelte dem jungen Mann den Rücken. Dann drehte er sich um und ging mit schnellen Schritten davon.
Farrell Gaynor saß Decker an dessen Schreibtisch gegenüber und rutschte auf dem harten Plastikstuhl unruhig hin und her. »Was ich eigentlich sagen möchte, ist … ich schätze, Paul hat wegen seiner Schulden ein Problem.«
»Aber sein alter Herr hat sich doch bereit erklärt, ihm Geld zu leihen. Und Dolly Sparks will sein Versprechen erfüllen. Das habe ich mit eigenen Ohren gehört«, sagte Decker.
»Das bedeutet nicht, dass sie die Wahrheit kennt.«
»Du meinst, dass Dad Paul diesmal eine Abfuhr erteilt ’ hat?«
»Ich glaube, Dad hat Paul schon vor langer Zeit eine Abfuhr erteilt.« Gaynor raschelte mit seinen Papieren. »Was ist, wenn der Zweck von Pauls Anruf in der Mordnacht der war, Azor zum Tatort zu locken, um ihn kaltzumachen?«
»Du meinst, er hat wegen des Schulgelds seiner Kinder einen Mord begangen?«, unterbrach Decker ihn.
»Nein. Aber wegen der enormen Endtilgungssumme, die für sein Haus ansteht.«
Decker sah von seinen Notizen auf. »Wie denn das?«
»Die Summe ist in drei Monaten fällig. Beläuft sich auf ungefähr dreihunderttausend.«
»Großer Gott!« Decker begann die Summen auf Pauls Schuldenliste zu addieren. »Damit steht Paul mit fast einer Dreiviertelmillion in der Kreide.«
»Und der Bursche hat für die Mordnacht kein Alibi, Chef.«
Decker nickte. Er wusste, dass er Paul zum Verhör einbestellen musste.
»Nehmen wir mal an, dass Paul die Mörder seines Vaters gedungen hat.« Gaynor hustete in sein Taschentuch. »Dann ist die nächste Frage: Wen hat er engagiert?«
Decker lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Keine Ahnung. Ich habe nur beobachtet, dass sich Paul häufig mit William Waterson unterhält. Und was, bitte schön, wollte Waterson in einer einsamen Berggegend bei einem zwielichtigen Typen wie Manny Sanchez?«
»Richtig.« Gaynor rutschte erneut hin und her. »Könnte immerhin sein, dass Waterson Sanchez Geld für diese Kampagne für den Umweltfrieden überbracht hat, das Azor Sparks ihm möglicherweise hinterlassen hat. Aber wenn es so war, warum hat Waterson Sanchez dann nicht in der Stadt getroffen? Warum die Heimlichtuerei?«
»Waterson könnte die Biker in Pauls Auftrag bezahlt haben. Was Webster und Martinez beobachtet haben, war vielleicht die
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