Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Stadtverkehr vorgeschriebenen Geschwindigkeit weiter.
Rina schlug die Hände vors Gesicht und weinte lautlos. Schließlich beherrschte sie sich, trocknete die Tränen. Sie spürte noch immer einen scharfen Schmerz in der Brustgegend. »Du hättest uns beide umbringen können. Bist du verrückt geworden?«
»Tut mir Leid«, sagte Bram leise. Er räusperte sich. »Entschuldige bitte.«
Rina schwieg. Bram betätigte den Blinker, bog nach rechts ab und fuhr auf die 405 in Richtung Norden. Wenige Minuten später glitt der Volvo ruhig und sicher dahin.
Rina konnte allmählich wieder ohne Schmerzen atmen. Sie war in Schweiß gebadet und schob eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, unter ihr Kopftuch. »Wo fahren wir hin?«
Er antwortete nicht, ignorierte ihre Frage.
Rina schwieg ebenfalls. Sie war nervös, aber entschlossen zu warten, bis er sich wieder gefangen hatte. Sobald er nach Devonshire abgebogen war und in westlicher statt in östlicher Richtung weiterfuhr, wusste sie, wohin er wollte. Er brachte sie nicht nach Hause. Er fuhr zum McCoy Park.
Rina war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Es hatte sich nichts verändert. Ein Relikt aus der Zeit, als Land noch im Überfluss verfügbar gewesen war. Ein samtig grüner Rasen schmiegte sich an die sanften Ausläufer der Berge. Hie und da war das Grün der Matten von Picknickbänken und Feuerstellen unterbrochen. Im Hintergrund glitzerte das Rot der Tennisplätze. Der Himmel war bleigrau, die Luft kühl und die Tennisplätze verwaist. Und da es ein normaler Wochentag war, und der Park keinen Spielplatz besaß, war weit und breit kein Kind zu sehen. Bram und Rina hatten die Anlage ganz für sich.
Er parkte den Volvo und stieg wortlos aus und lief los. Hätte sie die Schlüssel gehabt, sie wäre nach Hause gefahren. Stattdessen blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Er drehte sich zu ihr um. Blass, die Stimme ein Flüstern. »Es tut mir so Leid, Rina. Ich weiß nicht, was … Verzeih mir.«
Sie sagte kein Wort.
Bram fuhr sich mit der Hand übers Kinn, war erstaunt über die Bartstoppeln, die er dort fühlte. »Alles in Ordnung?«
»Ich lebe noch. Das ist schon mal was.« Sie ging vorsichtig auf ihn zu. »Und du? Mit dir alles in Ordnung?«
»Nein. Nichts ist in Ordnung.« Er fing ihren Blick auf. »Was um Himmels willen hast du dir dabei gedacht, dort aufzutauchen? Hat die Polizei von LA nicht schon genug Probleme? Rina, wenn du in diesen Schmutz mit hineingezogen wirst, schadest du deinem Mann.«
»Ich wollte nur mit dir reden, helfen, wenn es möglich …«
»Du kannst nicht helfen.« Er wich vor ihr zurück, lehnte sich gegen eine riesige Platane mit dicken Blattknospen. »Fahr nach Hause, Rina.«
Sie kam auf ihn zu. »Bram, du redest dummes Zeug. Du könntest genauso wenig einen Mord begehen wie ich …«
»Du hast keine Ahnung.«
»Ich weiß, dass du nicht … so bist.«
»Dass ich nicht wie bin? Schwul?«
»Warum quälst du mich?«
Er wirbelte herum. Seine Augen sprühten vor Wut. »Du weißt gar nichts von mir. Hast mich nie richtig gekannt. Sonst hättest du mir nie gesagt, ich solle nach Rom gehen.«
Rina starrte ihn mit offenem Mund an. Sie war verblüfft und betroffen zugleich. »Bin ich plötzlich für die Dinge deines Lebens verantwortlich, die du bereust?«
»Ich hätte Berge für dich versetzt.« Seine Augen wurden feucht. »Alles, was ich wollte, war ein Zeichen … irgendein Zeichen.«
»Warum hast du mich dann nicht darum gebeten?«
»Glaub mir, ich habe dich auf tausend Arten gebeten! Du hast mir nur nie zugehört!«
Wut und Bitterkeit sprachen aus ihm. Und Rina fiel es schwer, ihm nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Sie hielt sich zurück. Harsche Worte, einmal ausgesprochen, waren nicht wieder zurückzunehmen.
Es hätte so viele Antworten auf seine Anschuldigungen gegeben. Aber welchen Sinn hätte es gehabt, sie auszusprechen? Er war in Schwierigkeiten, und in seinem Kummer suchte er einen Sündenbock. Wäre sie weniger ängstlich, weniger erregt gewesen, Rina hätte seine Wut für das genommen, was sie wirklich war, ein Kompliment. Er fühlte sich sicher in ihrer Nähe, sicher genug, sich ihr zu offenbaren. Aber Rina war blind vor eigenen Emotionen.
Sie wischte sich über die Augen. »Ich habe getan, was ich in der Vergangenheit für richtig hielt. Und ich tue jetzt, was ich jetzt für richtig halte. Falls ich mich irre – wie ich mich wohl damals geirrt habe –, dann mische ich mich nicht mehr
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