Decker & Lazarus 09 - Totengebet
sechs.« Er zog sein Jackett an und verabschiedete sich.
Im Devonshire Revier zu nächtigen, erschien Decker eindeutig vernünftiger, als Rina aufzuwecken. Von seinen Schreibtisch aus sprach er ihr eine Nachricht auf den Anrufbeantworter, beteuerte ihr, dass er sie liebe und versprach, sich am Morgen zu melden.
Dann betrat er den Bereitschaftsraum. Es herrschte gähnende Leere. Nur der Abschnitt mit den Schreibtischen der Mordkommission war besetzt. Deckers Team füllte stapelweise Formulare aus, fraß sich durch den Papierkram. Obwohl ein halbes Dutzend Computer herumstanden, musste ein Großteil der Arbeit handschriftlich erledigt werden. Seine Leute hatten eine Verschnaufpause nötig. Decker schob eine frische Karaffe in die Kaffeemaschine und setzte eine Besprechung an.
Der Bereitschaftsraum der Kriminalpolizei war ein großer, offener Saal, eingerahmt von Aktenschränken und Regalen, in denen die blau gebundenen Fall-Aufzeichnungen standen. An der Wand hingen eine Tafel mit den Dienstplänen, ein Poster mit Verfahrensregeln, Gary-Larson-Cartoons und ein Dutzend Stadtpläne der einzelnen Revierabschnitte, von denen einer mit Markierungsnadeln gespickt war. Von der Decke baumelten die Schilder, die die Quadrate der einzelnen Abteilungen bezeichneten: STAATSANWALT, CAPTAIN, SITTE, JUGENDDEZERNAT, EINBRUCH U. DIEBSTAHL. Das Drogen- und das Betrugsdezernat befanden sich im ersten Stock. Die Mordkommission nahm den rückwärtigen Teil in Anspruch, von den anderen Abteilungen durch eine Wand aus Aktenschränken getrennt. Wie in allen Revieren der Polizei von Los Angeles waren die Schreibtische der Detectives von Devonshire in der Form eines L’s angeordnet. Nachdem Decker allen Kaffee eingeschenkt hatte, nahm er am oberen Querriegel der Schreibtischordnung Platz. Er schlug sein Notizbuch auf.
»Fangen wir mit der Grundsatzfrage an. Zufallstat oder keine Zufallstat? Pro und Contra. Marge du hast das Wort.«
Marge strich sich das welke, fahlblonde Haar aus den müden Augen. »Könnte sich um einen Gelegenheits-Raubüberfall in Tateinheit mit Entführung gehandelt haben. Wobei das Finale hinter dem Tracadero’s stattgefunden haben muss. Weshalb sonst sollte Sparks Wagen dort geparkt haben? Wäre er aus freien Stücken zum Tracadero’s gefahren, hätte er die Parkwächter am Vordereingang bemüht.«
»Vielleicht war er zu geizig, die Parkgebühren zu bezahlen.« Martinez kaute auf seinem Schnurrbart. »Oder er hat ungern andere ans Steuer seines Wagens gelassen.«
»Könnte sich doch auch eine Gang über ihn hergemacht haben. Was meint ihr?«, warf Webster ein. »Das Tracadero’s zieht die Big Spender an. Kein schlechter Platz, wenn man jemand mit Bargeld in der Tasche hochnehmen möchte.«
»Er hatte noch Bargeld in seiner Brieftasche, Tom«, erinnerte Martinez den Kollegen.
»Vielleicht sind die Kerle gestört worden«, fuhr Webster unbeirrt fort. »Sparks hat sich gewehrt. Sie haben ihn umgebracht und sind verduftet.«
»Verdammt viel Schaden, den ein panisches Überfallkommando da angerichtet haben soll, wenn ihr mich fragt«, bemerkte Marge.
»Vielleicht hat Sparks die Diebe bis aufs Blut gereizt.«
»Wie auch immer, Entführung im Auto oder Raub bedeuten, dass die Täter zumindest zu zweit waren«, erklärte Decker.
»Schussverletzungen und Messerwunden«, erinnerte Marge. »Ungewöhnlich, dass einer unserer Kunden mit zwei Tatwaffen hantiert.«
Die anderen stimmten ihr zu.
»Ich habe ein interessantes Gespräch. Mit einer der Schwestern vom New Chris.« Decker trank einen Schluck Kaffee. »Sparks hatte offenbar den Ruf, bei Autounfällen gern den guten Samariter zu spielen.« Er berichtete von Schwester Taras Mutmaßungen.
»Das weist allerdings eher auf eine Entführung in seinem eigenen Wagen als auf einen Raubüberfall hinter einem Restaurant hin«, meinte Marge.
»Komisch.« Oliver zückte einen Kamm und fuhr sich durch sein dichtes, schwarzes Haar. »Da kann einer nicht aus seiner Haut als Mediziner raus … nicht mal auf der Heimfahrt im eigenen Wagen.«
»Ich kenne mehrere Anwälte, die auf derselben Schiene agieren«, bemerkte Gaynor. »Sie haben Unfallscanner im Auto. Allerdings nicht aus altruistischen Gründen.«
»Hab mal einen Kerl festgesetzt«, begann Webster in seinem breiten Südstaaten-Singsang. »Der hat das auch gemacht … hat den Funkverkehr der Ambulanzen mitgehört und ist zu den jeweiligen Unfallorten gefahren. Dort hat er sich als Arzt ausgegeben. Irgendwann haben
Weitere Kostenlose Bücher