Decker & Lazarus 09 - Totengebet
wir ihn schließlich hochgenommen. Aber eins kann ich euch sagen. Er hat die Leute erstklassig wieder zusammengeflickt.«
»So was nennt man Heldenkomplex«, stellte Marge fest. »Was manche Leute alles anstellen, nur um groß rauszukommen!«
»Eigentlich sollte man annehmen, Sparks hätte diese Art von Anerkennung schon im OP im Übermaß genießen können.« Oliver steckte seinen Kamm wieder ein.
»Anscheinend ist es für gewisse Leute einfach bitter, gelegentlich auf dem Planeten Erde zu landen«, bemerkte Gaynor.
»Wenn ich ein Star wäre, wie Sparks es gewesen ist, hätte ich keine Angst, auf die Erde niederzusteigen«, behauptete Oliver. »Ist doch nett, so heiß bewundert zu werden, zu erleben, wie sich die Leute in Ehrfurcht vor einem verneigen.«
»Du meinst wie seine Sekretärin«, seufzte Marge. »Für sie war er ein Gott.«
»Genau.« Oliver wandte sich an Decker. »Was ist mit seinen Kindern? Wie haben die auf ihren alten Herrn reagiert?«
Decker dachte kurz nach. »Den jüngeren schien die Sache richtig nahe zu gehen. Die älteren haben weniger emotional reagiert … angesichts seines Todes, meine ich. Aber vermutlich war das der Schock.«
»Schwierig für Kinder, einen Gott zum Vater zu haben«, sagte Oliver. »Ist keinem ein Freud’scher Versprecher über Dad rausgerutscht?«
Decker blätterte seine Aufzeichnungen durch. »Zwei der Brüder, Lucas und Paul, haben gesagt, Dad sei bestimmend, bossy und bevormundend gewesen.«
»Sehr interessant«, murmelte Oliver und rieb sich die Hände.
»Wahrscheinlich hat jeder auf seine Art gegen ihn rebelliert«, fuhr Decker fort. »Zwei Kinder haben Geldprobleme, ein dritter war drogenabhängig, einer ist katholischer Priester anstatt Pfarrer in Sparks’ fundamentalistischer, protestantischer Kirchengemeinde geworden, die älteste Tochter hat einen Juden geheiratet …«
»Wie ist das denn rausgekommen?«, fiel Marge ihm ins Wort.
»Einfach so«, antwortete Decker.
»Ist sie konvertiert?«, wollte Marge wissen.
»Nein, ist sie nicht. Sie gehört noch immer zur Kirchengemeinde ihres Vaters. Genau wie ihre Kinder. Trotzdem hat sie einen Mann geheiratet, der sich weigert, zu ihrem Glauben überzutreten. Darüber ist sie mittlerweile sehr unglücklich. Aber damals, als sie sich entschieden hat, den Mann zu heiraten, muss sie ihrem fundamentalistisch christlichen Daddy wohl eine lange Nase gezeigt haben.«
»Offenbar haben sie ihm alle eins ausgewischt«, sagte Martinez.
»Hebt meine Stimmung ungemein«, bemerkte Oliver.
»Was ist mit der Ehefrau?«
»Dolores Sparks«, seufzte Decker. »Mit ihr habe ich kaum ein Wort gewechselt. Als sie es erfahren hat, hat sie das sofort als Irrtum abgetan. Sparks könne unmöglich tot sein, war ihre Reaktion.«
»Hat sie überhaupt gefragt, wie er gestorben ist?«
»Hm, ja. Sie wollte wissen, ob er einen Autounfall hatte. Als ich ihr erklärt habe, es sei Mord gewesen, hat sie diese Möglichkeit sofort als vollkommen abwegig bezeichnet. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben.«
»Ein Autounfall war als Todesursache okay, aber ein Mord nicht, oder wie ist das zu verstehen?«, fragte Marge.
Decker dachte nach. »So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Mord jedenfalls wollte sie auf keinen Fall akzeptieren. Ihr Sohn hat ihr daraufhin eine Schlaftablette verabreicht. Während ich mit den Kindern gesprochen habe, war sie längst außer Gefecht. Ich nehm sie mir morgen vor.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Also, ist es eine Zufallstat? Was glaubt ihr?«
Achselzucken war die Antwort.
»Okay. Nehmen wir an, Sparks ist mit dem Wagen entführt oder von einer ihm bekannten Person an den Tatort gelockt worden. Wer kommt dafür in Frage?«
Marge überflog ihre Notizen. »Decameron hatte Krach mit Sparks. Das ist Tatsache, oder?«
Das Team nickte unisono.
»Die beiden sind gemeinsam zum Parkplatz der Klinik gegangen. Decameron behauptet, dabei die Wogen geglättet zu haben. Was, wenn das nicht stimmt? Vielleicht hat Sparks ja gedroht, ihn zu feuern. Ein Wort gab das andere …«
»In diesem Fall hätte es Sparks auf dem Parkplatz der Klinik ereilt«, warf Martinez ein.
»Moment mal!« Marge ließ sich nicht beirren. »Vielleicht hat Decameron Sparks zu einem Versöhnungsessen ins Tracadero’s eingeladen. Auf der Fahrt war noch alles eitel Freude. Aber dann könnte plötzlich was schief gelaufen sein, und Decameron ist Sparks an die Kehle gegangen.«
»Wohl eher ans Herz«, verbesserte Webster.
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