Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Namen, manche sogar Weltranglistenspieler. Jeanine hatte alle Register gezogen. Anstelle von Treppen führten Rampen zu den Eingängen hinauf, auch die waren bewacht. Einige Wachmänner saßen in Rollstühlen. Ein gelähmter Wächter starrte ihn an, sagte nichts, als Decker an ihm vorbeilief. Der lugte um die Ecken, warf einen Blick hinter die Wohnwagen und zuckte sofort zurück. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Da standen sie … Jeanine und Sean. Vorsichtig riskierte er einen weiteren Blick, schaute länger hin, um ihre Körpersprache zu deuten.
Es war nicht die Sprache der Liebe.
Jeanine blickte angeödet zur Seite, die Hände in den Hüften, mit dem Fuß tappend. Sean gestikulierte aufgeregt, sein Gesicht war gerötet, seine Stimme klang hektisch. Decker konnte immer noch kein Wort verstehen, nur die Gesten: ein Streit.
Jetzt eine Fliege an der Wand sein, dachte er. Er zog sich zurück, versuchte, von der anderen Seite näher heranzukommen. Ein Wachmann stoppte ihn, fragte ihn nach seinem Ausweis.
Decker zückte die Marke, doch der Wachmann traute ihm nicht. Er schob sich in seinem Rollstuhl zurecht und begann Fragen zu stellen. Decker kam nicht dazu, zu antworten, denn plötzlich erschien Jeanine – ohne Sean. Decker riß sich zusammen, bemühte sich, sie nicht anzustarren.
Sie war strahlend schön wie immer, trug ein langärmliges weißes Hemd unter einem grauen Wolljackett, dazu eine schwarze Hose. Der Jackenkragen war aufgestellt. Goldblondes Haar umrahmte das porzellanzarte Gesicht. Ihre himmelblauen Augen hefteten sich auf ihn. »Darf ich fragen, was Sie hier verloren haben?«
Decker hielt ihrem Blick stand. »Ich suche Captain Strapp.«
»Wie Sie sehen, ist er nicht hier.«
»Alles in Ordnung, Ms. Garrison?« fragte der Wachmann.
Jeanine lächelte großzügig. »Keine Sorge, Brock. Sie können uns allein lassen.«
»Ich gehe schon«, sagte Decker und entfernte sich.
Jeanine folgte ihm. »Ich begleite Sie gern …«
»Nicht nötig.« Decker beschleunigte seine Schritte, doch Jeanine blieb ihm auf den Fersen.
»Möchten Sie vielleicht einen Sitzplatz für das Match, Lieutenant? Ich besorge Ihnen gern einen.« Sie nahm seinen Arm und zwang ihn zum Stehenbleiben. Ihr Lächeln war betörend. »Schließlich sind wir keine Feinde mehr.«
Das denkst du, Lady! Decker blickte auf die Hand, entfernte sie sanft, aber bestimmt von seinem Arm. Die Berührung hinterließ ein Kribbeln auf seiner Haut. »Nein, vielen Dank.«
Jeanine strahlte, zeigte die Zähne. »Er sitzt in Reihe vier. Kann ich Sie wirklich nicht überreden, Ihre Meinung zu ändern?«
Decker sagte nichts und rannte los, ohne sich umzudrehen. Die Begegnung hatte ihn zum Schwitzen gebracht. Niemand hatte das Recht, ihn so aus der Fassung zu bringen, zu beschämen, wütend zu machen.
Als er in die Arena kam, herrschte bereits Hochstimmung. Satzfetzen drangen an sein Ohr. Gerede über Tennis, über Berühmtheiten. In den ersten Reihen flackerten Blitzlichter und blendeten ihn, während er die Stufen hinabstieg. Natürlich nicht seinetwegen, sondern wegen der Film- und Fernsehstars, die schwarze Schärpen trugen und zu Dutzenden erschienen waren.
Alles für die Opfer eines schrecklichen Verbrechens. Aber wo waren die Überlebenden?
Ganz große Namen entdeckte er nicht, aber trotzdem, das Aufgebot konnte sich sehen lassen. Darsteller einer populären Arztserie, eine scharfe Blondine, die in einer Krimiserie die Detektivin spielte, ein paar junge neurotische Laienstars aus dieser Yuppie-Serie, die ohne Drehbuch auskam. Jede Menge Hollywood. Man trank Sekt und lachte unbändig. Und lächelte dieses unvergleichliche Lächeln, wenn die Autogrammjäger nicht lockerließen.
Ein wahres Großereignis für das sonst so stille Tal.
Decker hielt weiter Ausschau und entdeckte die Riege der gealterten Charakterdarsteller – Männer um die Siebzig oder Achtzig. Runzlig und wettergegerbt wie die Cowboys, die sie einst dargestellt hatten, nuckelten sie an kalten Zigarren und tauschten Anekdoten über die alten Zeiten aus.
Die Freunde von Walter Skinner.
Doch seine Witwe konnte er nirgends entdecken. Er suchte erneut die Menge ab, bis er, etliche Reihen weiter hinten, eine zweite Gruppe von Schärpenträgern sah, die jedoch von Fotografen und Verehrern unbehelligt blieb.
Die Überlebenden. Die Freunde und Verwandten der Opfer. Sie wirkten ganz und gar nicht heiter, sondern eher deplaziert – angespannt, nervös, verärgert. Trotzdem hatten sie sich
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