Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Oliver. »Bei Ihnen ist es offensichtlich genauso. Oder warum sind Sie Bulle geworden?«
»Das war einer der Gründe.«
»Welche sonst noch?«
»Ich bringe gern Ganoven hinter Gitter.«
»Ah! Sie sind also ein edler Bulle.«
»Na ja, mit ein paar Flecken auf der Weste … und arm außerdem.«
Garrison lächelte, dann wurde er ernst. »Eine Befragung würde ich als Routinepraxis der Polizei abbuchen. Aber zwei Befragungen?«
»Wir sind eben gründlich.«
»Nein, Sie vergeuden Ihre Zeit. Ich möchte zweierlei wissen: Erstens, warum ist die Polizei so sehr an meiner Erbschaft interessiert? Zweitens, stellen Sie Jeanine dieselben Fragen?«
Oliver befingerte seinen Krawattenknoten. Heute trug er ein Sportsakko aus braunem Schottenkaro über einem weißen Hemd und einer Khakihose. »Ich entnehme Ihrer Frage, daß Sie mit Ihrer Schwester nur wenig Kontakt haben.«
»Der Kontakt läuft über ihre Anwälte.«
»Vertragen Sie sich nicht mit Ihrer Schwester?«
»Nein. Obwohl wir keinen offenen Krieg haben. Wir ignorieren uns einfach. Und jetzt, wo unsere Eltern … weg sind … «Er seufzte. »Ist alles viel einfacher geworden.«
»Es gibt keinen Anlaß mehr für Kontakte«, half ihm Oliver nach.
»Genau.« Garrison zündete sich die nächste Zigarette an. »Sehen Sie, daß ich rauche, ist schon ein sehr gutes Zeichen. Es bedeutet, daß ich bald produktiv werde.«
»Gratuliere.«
Garrison inhalierte tief und stieß eine wabernde Rauchwolke aus. »Ja. Ein sehr gutes Zeichen. Ich hab einen Auftrag. Die Spezialeffekte für den nächsten Film von Van Grek. Eine Art Remake von The Blob. Ich hab mir das Original angesehen, um ein Gefühl dafür zu kriegen, was die damals gemacht haben.« Er lachte. »Aus technischer Sicht völlig lächerlich, hat aber starke Momente. Als dieser Glibber plötzlich aus dem Vorführraum in den Kinosaal quoll, wurde selbst mir ganz anders.«
Oliver lächelte. »Als ich klein war, hab ich mir fast in die Hose gemacht.«
»Ja. Das verstehe ich total.« Garrison rauchte schweigend, seine Gedanken weilten woanders. »Diese ganze Computergraphik … « Er schüttelte den Kopf. »Mein Nebenmann im Studio arbeitet seit drei Monaten an einer einzigen Einstellung. Van Greks Oberkörper zerfließt langsam 2u einem flammenden Lavameer.« Er schaute Oliver an. »Ich frage mich, ob das Endprodukt nicht viel zu perfekt sein wird, um noch jemanden zu schocken.«
Oliver schwieg.
»Na ja«, sagte Garrison. »Das sind so alberne Gedanken. Sie haben aber meine Frage nicht beantwortet: Warum interessieren Sie sich für meine Erbschaft?«
Er benahm sich so unbeschwert, daß Oliver unwillkürlich überlegte, ob Jeanine bereits gehandelt hatte … ihm Geld angeboten hatte, um die Wogen zu glätten.
»Wegen der Versicherungen«, log Oliver.
»Wie bitte?«
»Es ist wirklich absurd, daß die Polizei ihre Zeit damit verschwendet«, sagte Oliver. »Aber das LAPD steht schon so lange in der Schußlinie. Die Versicherungen werden offenbar kräftig zur Kasse gebeten.«
»Ist ja wohl logisch«, sagte David. »Es hat schließlich Tote gegeben.«
»Ja, die Versicherungen untersuchen aber sehr intensiv.« Oliver beugte sich vor, als würde er David ein Geheimnis anvertrauen. »Sie wollen sicher sein, daß die Schießerei im Estelle tatsächlich so gelaufen ist. Sie wissen schon – ein Verrückter dreht durch. Daß es kein geplanter Anschlag von jemand war, der nur Geld wollte.«
»Aber der Typ hat sich doch umgebracht!«
»Mir kommt das auch bescheuert vor. Aber ich mache nur meinen Job und sehe zu, daß man der Polizei keine Versäumnisse anhängen kann.«
»Hatten meine Eltern eigentlich eine Lebensversicherung?«
»Ich dachte, das könnte ich vielleicht von Ihnen erfahren.«
»Ich weiß es nicht. Ich war geschockt, als ich hörte, daß ich was erben soll … so eine Menge Geld.«
»Wissen Sie denn, wie viel es ist?«
»Etwa eine Million. Ich kann Ihnen sagen, ich war platt.« Garrison dachte nach. »Ich mußte wohl nicht länger den Sündenbock spielen, als mein Vater merkte, daß Jeanine nicht so war, wie er glaubte.«
Oliver zögerte. »Wie darf ich das verstehen?«
Garrison lachte. »Na, sie war doch total verwöhnt. Immer mußte sie im Mittelpunkt stehen. Irgendwann hatte selbst mein Vater ihre Launen satt. Ständig verlangte sie Geld für ihre Wohltätigkeitsgeschichten.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Nein. Aber meine Mutter hat angedeutet, daß zwischen Jeanine und ihrem Vater nicht alles
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