Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Klausel gegen das Anzapfen des Fonds?«
»Eine Ausnahmeregelung für Notfälle. Wenn David dringend Geld braucht, kann er sich an seine Schwester wenden. Sie kann nach eigenem Gutdünken entscheiden, ob sie seine Bitte erfüllt und ob es sich um eine wirkliche Notlage handelt.«
»Und wer legt das fest?«
»Darüber muß man sich gegebenenfalls einigen.«
»Er kann also sagen, er ist in Not, und sie sagt nein.«
»Genau.«
»Und dann geht’s vors Gericht?«
»Ja.« Farrell hustete. »Wenn sie gnädig ist, kann sie David ausnahmsweise einen Teil seines Vermögens auszahlen, die Summe richtet sich nach dem aktuellen Wert des Fonds. Das ist der Punkt, an dem sie ihn über den Tisch ziehen kann.«
»Okay.«
»Jeanine könnte nämlich behaupten, daß sein Vermögen fest angelegt und Bargeld nicht vorhanden ist. Aber … « Gaynor hob den Finger. »Als nette und liebevolle Schwester könnte sie ihm einen Gefallen tun. Sie könnte einen Teil seiner Papiere zum aktuellen Kurswert kaufen. Und wenn der Kurswert unter dem Nennwert liegt, was bei langfristigen Anlagen normalerweise der Fall ist, dann kann Jeanine absahnen.«
»Trotzdem sitzt sie auf den entwerteten Papieren.«
»Der Trick ist, daß sie sich nach dem Markt richten kann. Entweder abwarten oder verkaufen, wenn die Zinsen sinken. Denn sie hat die Kontrolle über die Erbschaft. Ihr eigenes Vermögen bindet sie nicht an langfristige Investitionen.«
»Also kauft sie seinen Anteil zum Bruchteil des ursprünglichen Wertes.«
»Genau.«
»Und wenn David dagegen protestiert?«
»Solange Jeanine ihrer Sorgfaltspflicht im Handel mit den Papieren nachkommt, hat er keine Chance. Anleihen und Schatzbriefe sind nun einmal seriöse Geldanlagen.« Gaynor runzelte die Stirn. »Ich an Davids Stelle würde mich nicht allzu sicher fühlen. Wenn sie tatsächlich ihre Eltern ermordet hat, wird sie nicht zögern, auch ihren Bruder zu beseitigen, sowie er ihr in die Quere kommt.«
»Nur würde das dann doch ein bißchen verdächtig wirken.« Decker überlegte. »Natürlich könnte ihm beim Hantieren mit Drogen ein Mißgeschick passieren.«
»Geh mal einen Schritt weiter«, sagte Gaynor. »Wenn Jeanine schnell ist und zuschlägt, bevor er seinen Erbteil angezapft hat, dann fällt die ganze Erbschaft ihr allein zu.«
Sie verstummten.
»Wir könnten ihn warnen«, sagte Gaynor.
»Aber wenn er zu Jeanine geht, um es ihr brühwarm zu erzählen, dann haben wir eine Verleumdungsklage am Hals.«
»Und dazu noch eine Klage wegen Verletzung der Privatsphäre. Ich hab mich natürlich auf gefährlichem Gelände bewegt, um das rauszukriegen.«
Decker dachte einen Moment nach. »Trotzdem sollten wir noch mal mit David reden. Schicken wir Webster hin, er soll die Sache geschickt einflechten. Oder noch besser: Scott übernimmt das.«
Gaynor lachte. »Scott? Sagtest du nicht, er soll es geschickt machen?«
Decker lachte auch. »Oliver gewinnt dem Gespräch vielleicht eine andere Perspektive ab. Außerdem könnte er Davids Gedächtnis auf Trab bringen.«
»Na, sagen wir, Scott kann nicht viel falsch machen.« Gaynor lachte begütigend. »Und vielleicht ist er sogar nützlich.«
Der Typ rauchte so viel, daß seine prächtige Aussicht von gelben Nikotinschwaden verhängt war. Er hatte genug Zigaretten vertilgt, um R. J. Reynolds wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Trotzdem fand Oliver diesen David Garrison sympathisch, besonders seine sachliche und nüchterne Reaktion, als es um die Erbschaft ging. Er erwartete nichts. Und wenn wider Erwarten etwas für ihn heraussprang, dann um so besser.
»Sie sind aber ein großzügiger Bruder«, sagte Oliver.
»Ich denke nur praktisch«, entgegnete er.
Heute trug er ein schwarzes Seiden-T-Shirt, weite schwarze Chinos und Wildlederslipper ohne Socken. Er saß im Schneidersitz auf dem Sofa, hatte die Arme verschränkt und rauchte eine nach der anderen. Auf dem Tisch vor ihm stand ein leeres Cocktailglas.
»Wollen Sie wirklich nichts trinken?« fragte Garrison.
»Nein, nichts. Danke.«
»Auch keine Tropfen gegen Ihre roten Augen?« Garrison lächelte und drückte die Zigarette im überfüllten Aschenbecher aus. Eine danebengefallene Kippe schnipste er quer über den Tisch. »Ein schreckliches Laster.«
»Ich weiß«, sagte Oliver. »Man glaubt gar nicht, wie es die Leute aufregt.« Er grinste. »Aber das macht Ihnen ja Spaß, oder?«
David lachte laut heraus. »Das gehört zu meinen wahren Freuden. Leute ärgern.« Er musterte
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