Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
zum besten stand.« Er seufzte. »Trotzdem hat er Jeanine zu einer Art Bienenkönigin aufgebaut. Wenn Sie über unser Geld reden wollen, müssen Sie zu ihr gehen.«
»Man kommt so schlecht an sie heran.«
»Ja. Sie umgibt sich mit Arbeitsbienen … und mit Drohnen.«
»Hat sie viele Liebhaber?«
»Ich bitte Sie!«
»Tennisspieler?«
»Sind das rhetorische Fragen?«
Oliver zuckte die Schulter.
»Ja. Tennisspieler. Vor allem, weil Tennis eine bestimmte Sorte Hochstapler und Trittbrettfahrer anzieht. Und auf die ist sie scharf. Männer, die an ihr kleben … die sie bewundern und für was Besonderes halten. Als wir Kinder waren, galt sie zwar als die Schöne, aber ich war der Besondere. Sie hatte ja keine Ahnung, wie gern ich mit ihr getauscht hätte, wie gern ich derjenige gewesen wäre, der einfach nur ein nettes Gesicht machen muß. Na, wahrscheinlich ist ja keiner glücklich mit seiner Rolle im Leben.«
»Sie hatten demnach nie ein enges Verhältnis?«
»Nie. Unser Vater hat uns perfekt programmiert: Wir sollten uns gegenseitig hassen.« Garrison drückte die Zigarette aus und zündete eine neue an. »Er hat uns seine Kategorien aufgezwungen -Jeanine war die Schöne, ich war der Unauffällige. Jeanine war die Schlaue, ich war der Intelligente. Sie war gesellig, ich scheu und eigenwillig, sie fürsorglich, ich distanziert und kühl. Jeanine ordentlich, ich total chaotisch.« Er lachte. »Wenigstens bin ich ich selbst geblieben. Jeanine hing immer vom Wohlwollen meines Vaters ab, wenn sie ihren Spaß haben wollte. Jetzt ist sie natürlich unabhängig. Vielleicht fängt sie jetzt was mit ihrem eigenen Leben an, statt die Talente anderer auszubeuten.« Er lächelte böse. »Aber eher nicht.«
20
Decker trank seinen Kaffee und blätterte die Morgenzeitungen durch. Es war vier Uhr nachmittags. Im Valley Voice war das Estelle immer noch ein heißes Thema. Eine ganze Spalte auf der Titelseite befaßte sich mit Harlan Manz. Doch die Times hatte das Drama schon nach hinten verbannt: Der Kulturteil brachte eine Würdigung des Hollywood-Schauspielers Walter Skinner.
Der Artikel, der Deckers Aufmerksamkeit fesselte, stand allerdings auf Seite drei des Sportteils. Genauer gesagt interessierte ihn das Foto: Jeanine Garrison neben einem gut aussehenden Mann im Tennisdreß. Hohe Stirn, kräftiges Kinn, kurze Locken, ausdrucksvoller Blick, ein gepflegter Dreitagebart. Er saß im Rollstuhl. Und Jeanines Hand lag auf seiner Schulter.
Wade Anthony.
Beide sahen aus wie Models – umwerfend gut und ernst. Die Bildunterschrift war knapp. Nur ihre Namen und der Anlaß des Zusammentreffens – ein Rollstuhltennis-Turnier zugunsten der Opfer vom Estelle. Bedeutende Stars wurden erwartet. Aber der wahre Champion war Anthony Wade. Er würde dem bedeutenden Anlaß die gebührende Presse sichern.
Decker studierte das Foto, dann lachte er laut auf. Wenigstens diente das Turnier wohltätigen Zwecken.
Es klopfte. Decker bat Farrell herein und zeigte ihm das Foto. »Guck mal. Sie hat meine Idee verbraten.«
»Und nun will sie dich plattmachen. Ein richtiges Herzchen.« Gaynor setzte sich.
»Jeanine macht sich für die Opfer stark. Das ist gerade so, als würde O.J. Simpson Geld für mißhandelte Frauen sammeln. Was ist nur aus der Welt geworden?«
Marge und Oliver kamen herein. Decker blickte auf. »Hat jemand ein Treffen angesetzt?«
»Ich war so frei«, sagte Gaynor.
Oliver zog sich einen Stuhl heran. »Wäre gut, wenn wir vor dem Wochenende noch mal alles durchgehen.«
»Was denn?« fragte Decker. »Jeanines Belästigung?« Er reichte Oliver die Zeitung.
»So ein Mist!« rief der. »Jetzt kommen wir überhaupt nicht mehr an sie ran.«
Marge las die Bildunterschrift. »Deshalb also hat Strapp vom Bürgermeister einen Schuß vor den Bug gekriegt.«
Webster und Martinez traten ein. Oliver schob Bert die Zeitung hin. »Guck dir das an.«
»Schwachsinn!« brummte Martinez.
Webster blickte ihm über die Schulter. »Scheiß drauf. Wir kriegen sie trotzdem.«
»Sie legt die Latte höher und höher«, sagte Oliver. »Und ich rede nicht von meiner.«
»Welchen Eindruck macht David Garrison auf dich?« fragte Webster bei Oliver an.
»Er raucht zu viel.«
»Hat er über seine Schwester geredet?« fragte Marge.
»Ja. Er kann sie nicht ausstehen.«
»Hältst du das für echt?« fragte Webster.
»Ich würde sagen, ja. Was meinst du?«
»War auch mein Eindruck.«
»Also keine Eintracht zwischen Brüderchen und Schwesterchen?«
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