Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
durch die von Feldern geprägte Landschaft. Die unbefestigten Straßen waren holperig, und die bucklige Piste stellte für die Radachse des Mietwagens eine echte Herausforderung dar. Eine Furche schickte sie in die Luft und ließ sie mit einem dumpfen Knall wieder aufsetzen.
»Tut mir leid, Boss.« Brubeck verringerte die Geschwindigkeit. »Verdammte Straßen hier. Man sollte eigentlich glauben, dass die Gemeinde nach der ganzen Zeit mal etwas gegen die Schlaglöcher unternommen hätte.«
»Die Straßen können wir nicht ändern, die Geschwindigkeit schon. Die paar Minuten Vorsprung sind keine Querschnittslähmung wert.«
»Verdammte Straßen«, brummelte Brubeck wieder vor sich hin. Er trug ein kurzärmeliges dunkelblaues T-Shirt zu einer schwarzen Jeans, wobei sein Bauch über den Gürtel lugte. Decker hatte sich für ein braunes Poloshirt und Jeans entschieden. Turnschuhe rundeten ihren Look ab.
Decker zückte die unvollständige Liste mit den Namen von Familien aus der nördlichen ciudad, die Brubeck ihm gegeben hatte, freundlich zur Verfügung gestellt von Marcus Merry. Sie bestand aus über einem Dutzend Familiennamen. »Hast du deinen Schwiegervater angerufen?«
»Daisy würde mich umbringen, wenn wir nicht auf eine Stippvisite vorbeikommen. Wir treffen uns zum Mittagessen, so gegen zwei … was für ihn eher ein Abendessen ist. Der Mann geht um acht ins Bett.« Brubeck schwieg einen Moment. »Dad fühlt sich nicht wohl dabei, wenn wir in Ponceville ermitteln und T nichts davon weiß. Er muss hier arbeiten, und er gehört sowieso schon zu den Benachteiligten.«
»Daran hatte ich längst gedacht«, beruhigte ihn Decker. »Trotz Olivers Bedenken habe ich T angerufen und ihm eine Nachricht hinterlassen, dass wir unterwegs sind.«
Brubeck drehte während der Fahrt den Kopf zu Decker. »Wirklich?«
»Augen auf die Straße, Brubeck.«
»Ich sehe auch so alles. Warum hast du ihn angerufen?«
»Damit dein Schwiegervater nicht den Kopf hinhalten muss, falls T sauer wird. Außerdem brauchen wir seine Hilfe, sollten wir in die Bredouille geraten.«
Das Auto überfuhr wieder einen Hügel und landete wie ein ungelenkiger Tänzer. »Hältst du T für vertrauenswürdig?«
»Keine Ahnung, aber es ist sicher sinnvoll, die örtliche Gesetzesvertretung auf unserer Seite zu haben.«
»Wenn er auf unserer Seite steht.«
»Deshalb habe ich ihm gesagt, wir kämen am Nachmittag an und würden uns gegen vier treffen. So erledigen wir unsere Arbeit erst mal ohne ihn.«
»Wir könnten ihm in den ciudads zufällig in die Arme laufen.«
»Dann sage ich ihm, wir hätten einen früheren Flug erwischt und versucht ihn anzurufen, aber er sei nicht da gewesen.«
»Schlüssige Erklärung. Und wenn er in den ciudads aufkreuzt, sagt uns allein das schon etwas.«
»Ganz genau. Warst du schon mal dort?«
»Bin nur vorbeigefahren. Gab nie einen Grund zum Anhalten.«
»Wie ist dein Spanisch?«
»Nicht herausragend, aber ich kann einem einfachen Gespräch folgen«, sagte Brubeck. »Ich übernehme das Fahren, wenn du dich ums Reden kümmerst.«
»Klingt gut. Dann bring uns da aber auch in ganzen Stücken hin.«
Wanderarbeiter sind in Kalifornien eine Tatsache des Lebens. Sie kamen mit einer Arbeitserlaubnis ins Land und durften sich bei einer ganz bestimmten Sorte Arbeit für eine ganz bestimmte Zeit abrackern. Die zeitliche Begrenzung – Hand in Hand mit der erdrückenden Armut – spiegelte sich in den Lebensbedingungen wider. Es war keine Barackenstadt, weil dort auch ein paar Holzhäuser mit Gipswänden standen, aber es gab nicht die geringste Beständigkeit in der Gegend. Die Bauten sollten an einem einzigen Tag errichtet und mit einem einzigen Schubs eines Baggers wieder zerstört werden.
»Gelegentlich läuft das so«, erklärte Brubeck Decker. »Da schreit dann so ein Sozialaktivist Zeter und Mordio wegen der Rechte der Arbeiter, und das ganze Areal wird plattgemacht. In der nächsten Woche fängt alles wieder von vorne an. Kein Vergleich zu früher, da wohnten die Hilfskräfte noch auf den Farmen. Gibt nicht mehr genug Geld, um die Angestellten durchzufüttern und ihnen auch Löhne zu zahlen. Eins musste wegfallen.«
Decker fielen Stromleitungen auf, die improvisiert zu ein paar Häusern führten, so dass wenigstens einige von ihnen moderne Annehmlichkeiten boten. Die meisten der Gebäude standen Wand an Wand und wirkten dadurch wie Mietwohnungen. Ein freudloser und deprimierender Haufen ohne Wert; das einzig
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