Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
dem jüdischen Neujahrstag. Gott richtet an diesem Tag über alle Menschen, die einer nach dem anderen unter ihm vorbeiziehen – als zähle er eine Schafherde.
In der Eingangshalle nahm die Gruppe einen Fahrstuhl.
Joy wandte sich Rina zu. »Wir gehen noch was trinken. Kommst du mit?«
»Meine Tochter hat eine Chor-Aufführung.«
»Wann?«, fragte Kate.
»Gegen halb acht.«
»Länger als eine Stunde brauchen wir nicht.«
»Vielleicht morgen«, sagte Rina, »mein Heimweg dauert eine Weile, und ich will für meinen Mann noch etwas zu essen einpacken, wir treffen uns nämlich bei der Aufführung.«
»Na, das nenne ich eine treusorgende Ehefrau!«, scherzte Joy.
»Wenn er an wichtigen Mordfällen arbeitet und seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen ist, vergisst er manchmal zu essen.«
Niemand sagte mehr etwas, bis die Türen sich wieder öffneten und die Gruppe den Fahrstuhl verließ.
»Wofür, meint ihr, braucht Grinse-Tom sein Smartphone?«, fragte Ally.
»Ich habe mich das auch schon gefragt«, sagte Rina. »Vielleicht geht er die Zeugenaussage durch, bevor er sie übersetzt. Was auch immer er da gehört hat, muss vom Gericht abgesegnet sein. Niemand wäre so unverschämt, sich dem Zeugenstand mit Musik im Ohr zu nähern.«
»Könnte gut sein«, meinte Ryan.
»Auf mich wirkt er ziemlich unverschämt«, entgegnete Joy.
»Stimmt, er hat was Theatralisches an sich.« Rina öffnete die doppelten Glastüren in die Freiheit. »Morgen zum Mittagessen bin ich dabei.«
»Klasse«, sagte Kate, »bis morgen dann. Viel Glück für deinen Mann.«
»Genau, und quetsch ein paar saftige Details aus ihm raus«, mischte Joy sich ein.
»Er ist ziemlich maulfaul, aber ich seh mal zu, was sich machen lässt.«
Joy war mit Rinas Antwort sehr zufrieden. »Und wenn du ihm Essen einpackst«, fügte sie noch hinzu, »dann denk bitte auch an mich. Was immer du da heute Mittag gegessen hast, es sah entschieden besser aus als mein Fraß.«
Rina war schon pünktlich, aber Peter war noch pünktlicher. Die anderen Eltern drängten alle nach vorne, wohingegen Peter Plätze in einer leeren hinteren Reihe ausgewählt hatte. Er saß kerzengerade da, den Kopf nach hinten geneigt, die Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet. Rina kletterte über die Klappstühle und rüttelte sanft an seiner Schulter. Er stieß ein Schnauben aus und öffnete im selben Moment die Augen. »Was?«
Rina holte ein Sandwich hervor. »Hier.«
Decker rieb sich die Augen und streckte sich. »Hi, mein Schatz.« Er beugte sich zu ihr herüber und küsste sie auf die Wange. »Hast du etwas zu trinken dabei? Mein Mund fühlt sich an wie Watte.«
»Mit oder ohne Koffein?«
»Egal. Heute Nacht werde ich keine Probleme haben einzuschlafen.«
Sie reichte ihm eine Dose Coke Zero. »Es gibt Truthahn und Pastrami auf Baguette.«
»Ich verhungere.« Decker biss herzhaft von seinem Sandwich ab. »Wunderbar, vielen Dank.«
»Hast du nichts gegessen?«
»Nein.« Er öffnete die Coladose und leerte sie in einem Zug, woraufhin ihm Rina sofort eine koffeinfreie Diet Coke hinhielt. »Ich glaube, ich bin völlig dehydriert.«
»Ich habe auch Wasser dabei, wenn du möchtest.«
»Später, danke.« Diesmal trank er nur die halbe Dose aus. »Wie war dein Tag im Strafrecht?«
»Gut, und wie war deiner?«
»Schrecklich.«
»Die Morde sind in allen Schlagzeilen.«
»Habe ich gehört.«
»Einige der Wachleute wurden auch umgebracht?«
Decker nickte und trank die Cola aus. »Ich muss mich bei Hannah bedanken, dass sie mich aus dem Revier gelockt hat. Ich bin völlig überstürzt aufgebrochen. Es herrscht das totale Chaos.«
»Musst du wieder zurück?«
»Wahrscheinlich. Ich würde gerne noch ein bisschen Papierkram erledigen und mir eine Strategie überlegen.«
Rina wusste aus Erfahrung, dass vielfacher Mord viele-viele Verdächtige bedeutete. »Bist du wach genug, um zu fahren, Peter?«
»Es geht mir gut.« Als Beweis dafür lächelte er sie an. »Wirklich, es geht mir gut. Ich war wahrscheinlich zwanzig Minuten weggetreten und fühle mich jetzt bemerkenswert ausgeruht.«
»Eine meiner Jury-Kolleginnen will alle saftigen Details über die Kaffey-Morde erfahren.«
»Sag ihr, sie soll die Zeitung lesen.«
»Das werde ich.« Rina nahm Peters Hand. »Ich bin froh, dass du zu der Aufführung kommen konntest. Hannah hat extra nach dir gefragt.«
»Nur der liebe Gott weiß, warum. Sie versteckt sich so gut es geht in der letzten Reihe. Wenn sie nicht
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