Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
so groß wäre, würde ich sie nicht mal bemerken. Sie singt nie irgendwelche Soli. Hat ihre Lehrerin was gegen sie?«
»Mrs. Kent ist Hannahs größter Fan.«
»Warum hat sie dann kein Solo?«
»Ich glaube, sie will keins. Sie will ihren Vater im Zuschauerraum sehen. Das gibt ihr das Gefühl, dass sie wichtig für dich ist.«
Decker zuckte mit den Achseln. »Was meine Kinder angeht, und da meine ich auch Cindy, die Mitte dreißig ist, frage ich mich, wie lange ich noch durch brennende Reifen springen muss, um ihnen zu beweisen, dass ich sie liebe?«
»Oh, keine Ahnung …« Rina zuckte ebenfalls mit den Achseln. »Wahrscheinlich für den Rest deines Lebens.«
7
Decker war von Punkt Mitternacht bis zum Weckerklingeln um halb sieben am nächsten Morgen völlig weggetreten. Das Bett neben ihm war leer, aber er hörte Geräusche aus der Küche. Er duschte und rasierte sich, zog sich an und ging um sieben Uhr ins Frühstückszimmer, wo der Kaffee schon bereitstand.
»Guten Morgen«, begrüßte ihn Rina. »Wie fühlst du dich?«
»Gar nicht mal so schlecht.« Er holte sich eine Tasse frisch gebrühten Java aus der Kaffeemaschine und nahm einen Schluck. »Wow, schmeckt lecker. Möchtest du, dass ich die Prinzessin wecke?«
»Hab ich schon erledigt. Sie hat gute Laune.«
»Nanu?«
»Wegen dir. Sie sagte – und ich zitiere -: ›Es war sehr nett von Abba, vorbeizukommen. Ich weiß, dass er in Arbeit ersticken muss.‹«
»Das ist ja reizend.« Er dachte einen Moment nach. »Und wie lange, glaubst du, wird ihre Wertschätzung anhalten?«
»Kurzfristig betrachtet, nicht sehr lange. Aber langfristig gesehen, für den Rest des Lebens.« Rina küsste ihn auf die Wange. »Ich setze sie unterwegs zum Gericht an der Schule ab.«
»Das wäre toll.« Er sah auf die Uhr. »Ich muss los. Ich stecke nur rasch meinen Kopf in die Höhle des Löwen und sag ihr auf Wiedersehen.«
»Heute Morgen triffst du wahrscheinlich eher ein Lamm als einen Löwen an.«
»Wie auch immer«, er stellte seine Tasse ab, »sie ist ein tolles Mädchen. Sie ist mein Baby, und ich liebe sie von ganzem Herzen. Wenn ich ein geeignetes Ziel für einige ihrer Frustrationen bin, dann sei es eben so. Solange Gott sie nur beschützt, nehme ich gerne all die Fallstricke in Kauf.«
Oliver klopfte an den Türrahmen und betrat Deckers Büro, ohne auf eine Einladung zu warten. In der einen Hand hielt er einen Becher Kaffee, in der anderen ein Blatt Papier. Der Mann sah total erledigt aus.
»Letzte Nacht geschlafen, Oliver?«
»Ein paar Stunden, aber das geht schon irgendwie.« Er reichte Decker ein fein säuberlich getipptes Blatt, auf dem sich so etwas wie ein Familienstammbaum befand. »Ich habe mal Kaffey Security 101 skizziert. Neptune Brady nimmt ganz oben die Hauptrolle ein, weil er der Obermacker ist. Danach verzweigt sich das Ganze.«
»Gute Arbeit«, sagte Decker.
»Gar nicht so schlecht für einen Zombie.« Oliver grinste. »Ich hab die Leute in zwei Kategorien unterteilt – die Wachen auf der Ranch und die persönlichen Bodyguards. Die persönlichen Bodyguards, abgekürzt PBG, werden oder wurden vor allem dann eingesetzt, wenn Guy und Gilliam in der Öffentlichkeit auftraten – in Restaurants, bei Wohltätigkeitsveranstaltungen, zu Geschäftsterminen, auf Partys. Mindestens ein PBG war immer bei ihnen.«
»Und wie lief das ab, wenn sie getrennt ausgingen?«
»Über Gilliam weiß ich nicht Bescheid, aber Guy hatte definitiv immer einen um sich. Wenn niemand zu Hause war, bewachten die Security Guards, kurz SG, das Anwesen. Bis jetzt habe ich vierzehn Namen, aber du kannst hier sehen, dass es zwischen den Gruppen der SGs und der PBGs Überschneidungen gibt. Rondo Martin, Joe Pine, Francisco Cortez, Terry Wexford, Martin Cruces, Denny Orlando, Javier Beitran und Piet Kotsky arbeiteten sowohl als SG wie auch als PBG.«
Decker sah sich die Aufstellung genauer an. »Alfonso Lanz und Evan Teasdale hast du durchgestrichen. Das sind die beiden Toten, oder?«
»Yep.«
»Und die eingekringelten Namen – Rondo Martin und Denny Orlando – sind die beiden vermissten Wachleute?«
»Genau. Bis jetzt hatten wir noch kein Glück, sie zu lokalisieren, aber wir sind an ihnen dran. Als wir in Denny Orlandos Apartment aufkreuzten, war die gesamte Familie dort und wartete darauf, dass Denny nach Hause kommt. Marge und ich haben uns länger mit seiner Frau unterhalten. Sie beschreibt ihn als einen guten Ehemann, einen guten Vater – sie haben zwei
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