Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Niewarth ab.
Ada winkte dem Maler, als sie durch die Einfahrt hinaus zum Bahnhof Pötzow fuhren.
»Merkwürdig, wie viele in die Partei eintreten, um ja nicht aufzufallen. Normalerweise wird man doch Mitglied, um aufzufallen, um sich zu engagieren und etwas zu bewegen«, brummte Garoche halblaut vor sich hin. Katuschke war inzwischen aus seinem Schlummer erwacht, verstand aber nicht so recht, was der Kollege überhaupt von ihm wollte.
Es war vereinbart, dass Ada Gerster in vier Tagen, nachdem einige Dinge in ihrem Heimatort erledigt waren, den Dienst im Hause der Künstler antreten sollte. Ihre Arbeit bestand aus Putzen und Kochen. Das Betreten des Ateliers war ihr strengstens untersagt. Die Wäsche wurde einmal die Woche von einer Reinigung mittels Boten abgeholt und wieder gebracht.
Dass es Ada verboten war, die Scheune zu betreten, machte ihr nichts aus, an Kunst hatte sie sowieso kein Interesse. Dafür galt ihre Aufmerksamkeit umso mehr dem Künstler Garoche. Und hier auch weniger dem Maler als dem Mann, wie sich schon bald herausstellte.
»Ein Fräulein ist da«, klopfte es zaghaft am Scheunentor, und die Antwort auf Adas Ankündigung ließ einen Moment auf sich warten. Dann, nach einem »Gleich!«, dauerte es noch einmal eine Weile, bis der Kopf von Garoche im Spalt der Eingangstür erschien und er sich nach dem Grund der Störung und dem Namen der jungen Frau erkundigte.
»Fräulein Beck? Modell?«
Als wäre der Künstler eben erst erwacht, musterte er die Frau mit zugekniffenen Augen, die in einem luftigen Sommerkleid und mit einem ausladenden Hut vor ihm stand. »Natürlich, ich habe Sie ja bestellt! Ist heute schon Mittwoch? Ach ja, wie die Zeit vergeht, treten Sie bitte ein. Ada, mach uns einen Kaffee, Sie mögen doch Kaffee, oder? Nein? Kann ich Ihnen etwas Kaltes anbieten?«
Ada wurde angewiesen, sich um die Getränke zu kümmern; als die Hausangestellte Zitronenlimonade vorschlug, wurde akzeptiert, und das Fräulein Beck verschwand mit Garoche im Atelier.
Auf ein erneutes Klopfen Adas hin öffnete sich die Tür und Garoche, schon vertieft in seine Arbeit, nahm Karaffe und Gläser in Empfang. Das Mädchen konnte gerade noch durch den Spalt sehen, wie sich das Modell entkleidete. Nach zwei Stunden ging die hintere Tür des Ateliers zum Garten hinaus auf und Garoche beschloss, im Freien weiterzumalen. Fräulein Beck steckte ihr Honorar in die Handtasche und machte den Künstler darauf aufmerksam, dass es doch für den weiten Weg etwas zu wenig wäre.
»Beklagen Sie sich bei Otto Niewarth, er zahlt.« Damit war für Garoche die Angelegenheit erledigt, und er streckte, verspannt vom langen Sitzen auf dem Malschemel, Rücken, Arme und Beine durch. Ohne auf Fräulein Beck zu achten, die ihren Hut aufsetzte und von der langen Bahnfahrt und dem mühseligen Fußweg berichtete, der ihre Schuhe fast ruiniert hätte, nahm Garoche die Staffelei und ging in den Garten hinaus, um sie unter dem Kirschbaum aufzustellen. Hier malte er einen exotischen Südseegarten als Hintergrund für die liegende Frau, der allerdings keine Ähnlichkeiten mit dem Obstgarten hinter dem Haus aufwies.
Nach einigen Minuten hörte Garoche Schritte im hohen Gras und spürte, wie Ada hinter ihm stand. Mit einem Ruck drehte er sich. Das Mädchen war vom Betrachten des Bildes so gefesselt, dass die beabsichtigte Überraschung keine Wirkung zeigte. Auch der Grund, warum sie hinaus in den Garten kam, nämlich dem Maler mitzuteilen, dass das Fräulein gegangen war, war wie aus ihrem Kopf verflogen. Wie gebannt sah sie auf die Staffelei.
»Gefällt es dir?«
Ada blieb stumm. Nicht das Bild, nicht die Kunst zog sie an, es war die nackte Frau. Es war die Vorstellung, sich vor einem Mann auszuziehen und so vor ihm zu posieren.
Garoche hatte den mit verschränkten Beinen und auf dem Rücken verdrehten Armen liegenden Akt vor einem Hintergrund aus Bäumen und undurchdringlichen Farnen gestellt. Die im ersten Eindruck schamlose Darstellung des Geschlechts und die Befangenheit Adas darüber machte einer Neugierde auf das fremdländische Aussehen der Porträtierten Platz. Eine übertriebene, fast ins Dunkelbraun tendierende Hautfarbe und der scharfe schwarze Konturstrich eines Otto Mueller ließen die Formen der Frau wesentlich üppiger erscheinen, als Ada die junge Dame in Erinnerung hatte. Auch die Augen der Abgebildeten waren in Mueller’scher Manier eher Sehschlitze und ließen keinen wirklichen Einblick, keinen echten Kontakt mit dem
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