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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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Wand hing. Das Bild mit dem Kornfeld hatte Garoche in sein eigenes Atelier gestellt, um es vor dem gierigen Niewarth zu verbergen, der auch die letzten Arbeiten Katuschkes zum Kauf anboten hätte, obwohl einige Werke offensichtlich noch nicht vollendet waren. Auf die Einwände Garoches erklärte er: »Ach, da klecksen wir noch ein bisschen Farbe drauf, und schon hat sich das. Können Sie doch mal schnell mit dem Pinsel drübergehen, Garoche. Sie kennen die Arbeitsweise und den Stil Katuschkes mittlerweile.«
    Der Maler hatte das Ansinnen mit einer abschätzenden Bemerkung abgelehnt. Daraufhin erwiderte der Kunsthändler pikiert: »Seien Sie mal nicht so empfindlich, junger Freund. Sie können sich ja nachher Ihre schmutzigen Hände in Unschuld und Terpentin waschen. Und ein paar Scheine extra dürften für den Rest sorgen.«
    Gedankenverloren rieb sich Garoche die Farbe mit einem Lappen von den Händen und knipste das Licht in dem Arbeitsraum des ehemaligen Kollegen aus.

    »Ada? Ada, wo bist du? Ich suche …«
    Im Erdgeschoss und im zweiten Stock hatte sich der Maler nach dem Mädchen umgesehen. Jetzt rief er in den Keller hinunter und wäre beinahe auf der obersten Stufe über ein Paket gewaschener Wäsche gestolpert. Ärgerlich stieg er in den Keller, die Hand schützend vor Augen haltend, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Vorsichtig tastete er sich durch das nur schwach beleuchtete Gewölbe. Im hintersten Raum, wo die Vorräte und der Wein lagerten, entdeckte er schließlich das Mädchen.
    »Ada, wo zum Kuckuck …?«
    Das Mädchen erschrak so heftig über das Erscheinen des Malers, dass sie einen spitzen Schrei ausstieß und im gleichen Augenblick anfing zu kichern. Ein Schatten sprang von der Hausangestellten weg.
    »Wer ist denn da bei dir?«
    Der Schatten trat nach vorn ins Licht der Glühbirne und entpuppte sich als der Wäschereibote Jürgen. Schuldbewusst und verlegen vermied er es, den Hausherrn anzusehen, und blickte auf den Kellerboden.
    Garoche sah von Jürgen zu Ada und zurück. Das Mädchen kicherte noch immer, der Junge dagegen schwieg und wischte sich den Mund ab. Für einen Moment spielte auch um seine Mundwinkel ein kleines Lächeln. Der Maler packte ihn am Arm und besah sich den Handrücken.
    »Lippenstift«, stellte er in einem nüchternen und ruhigen Ton fest, obwohl Jürgen sehr wohl wusste, was das auf seiner Hand war. Ada trat schützend neben den Jungen, aber noch bevor ein Wort der Rechtfertigung fallen konnte, packte Garoche ihn wie einen Lausebengel am rechten Ohr und zog ihn von Ada fort durch den Keller. Dann beförderte er ihn die Treppe hinauf in den Flur und bis ans Gartentor. Dort, auf der Straße, gab er ihm eine schallende Ohrfeige und warnte ihn eindringlich: »Mach bloß, dass du wegkommst, und lass dich hier nicht noch einmal sehen. Sonst setzt es Hiebe!«
    Ada war den beiden gefolgt, sie hatte inzwischen aufgehört zu kichern und flehte den Maler an, doch ja nichts Unüberlegtes zu tun. Der stieß sie von sich, als sie versuchte, ihn am Arm zurück in das Haus zu zerren, sodass sie das Gleichgewicht verlor und vornüber auf die spitzen Schottersteine des Weges fiel. Leise weinend rieb sie sich die aufgeschlagenen Hände.
    Angesichts dieser Demütigung stand Jürgen wie angewurzelt da, und auf einmal, ohne dass er etwas dagegen tun konnte, schossen auch ihm Tränen in die Augen. Dabei entging ihm nicht der verächtliche Blick seines Kontrahenten, der auf seinen Zügen ruhte.
    »Das zahl ich Ihnen heim!«, drohte der Halbwüchsige mit erhobener Faust, »das schwöre ich, ich zahle es Ihnen heim.« Dann zog er die Nase hoch, griff sich sein Fahrrad, das am Zaun lehnte, und fuhr unter Schimpfen und Faustschwingen die Straße hinunter. Garoche stand wie versteinert da und sah dem Wäschereiboten nach, bis dieser an der nächsten Straßenecke verschwunden war.
    Einigen Minuten später ging er auf das Grundstück zurück und blieb bei Ada stehen, die wimmernd auf dem Boden saß. Er reichte ihr die Hand, doch sie schlug sie aus. Stattdessen stammelte sie weinerlich und ohne Luft zu holen: »Es ist gar nichts passiert, ich habe ihm nur einen Kuss gegeben. Er ist doch noch so jung und hat noch nie ein Mädchen geküsst. Da habe ich gedacht, es wird nicht schaden, wenn ich ihm einen Kuss gebe – und mehr ist auch nicht passiert. Ich weiß nicht, warum du so bist? Warum bist du nur so? Was habe ich dir getan, was haben dir die Menschen nur getan, dass du so

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