Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
nestelte er an seinem Kragen. Obwohl seine Geschäfte alle nicht ganz sauber waren, hielt er sich doch immer für einen hochanständigen Menschen. »Glauben Sie, man wird seine Spur bis hierher, also bis zu uns verfolgen können? Wenn man ihn findet?«
Garoche zuckte nur mit den Schultern und paffte eine dicke Rauchwolke aus seiner Pfeife.
»Wir hätten doch die Behörden verständigen sollen. Was hätte schon geschehen können? Schließlich hat sich der dumme Kerl ja selbst umgebracht«, dachte Niewarth laut vor sich hin.
»Ein wenig spät für solche Gedanken, meinen Sie nicht? Man kann nichts ungeschehen machen.« Eigentlich wollte Garoche mit dieser simplen Antwort nur die eigenen Bedenken zerstreuen, die ihm nach der unschönen Beseitigung Katuschkes gekommen waren. Sie waren keine Freunde, aber die Zeit hier und das Malen hatte sie enger aneinander gebunden, als er gedacht hatte. Dennoch: Ihn fortzubringen war damals das einzig Richtige gewesen.
»Ich denke, wenn die Polizei gekommen wäre, hätten sie sicherlich Fragen gestellt. Zum Beispiel über das Treiben in der Scheune und die Bilder.«
»Ja, ja, Sie haben natürlich recht, Garoche. Und solange niemand, ich meine: außer uns und Ihrer Hausangestellten, etwas von Katuschke weiß, dass er hier gelebt hat, kann ja eigentlich auch nicht viel geschehen.«
Die Reaktion auf die Erwähnung Garoches über den Kreis derer, die sonst noch über Erwin Katuschkes Aufenthalt hier im Haus unterrichtet waren, besonders der Sturmabteilung, der SA, von Pötzow und ihres Anführers, kam der Explosion einer Fünf-Zentner-Bombe gleich. Außer sich vor Erregung sprang der Galerist vom Sofa hoch und stürmte um den Tisch auf den Maler zu, das gedeckte Tuch riss er mit, sodass Tassen und Teller zu Boden fielen. Garoche konnte den kleineren Kunsthändler gerade noch mit einem ausgestreckten Arm auf Distanz halten.
»Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Ich habe Sie für einen vernünftigen Menschen gehalten! Wie konnten Sie es zulassen, dass der Katuschke solche Dummheiten gemacht hat? Ich habe Sie doch ausdrücklich gebeten, auf ihn aufzupassen!« Beim Zurückweichen schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »SA? Im Gasthaus? Ja, um Himmels willen, wie naiv sind Sie denn?«
Durch den Krach und die lauten Worte aufgeschreckt, stürmten Ada und Wedt, der nach dem Verladen der Bilder seinen Kaffee und das Stück Kuchen in der Küche verzehrt hatte, gleichzeitig in den Salon. Um seinen Chef zu beschützen, wollte Wedt auf Garoche los. Niewarth winkte ihn mit ausgestrecktem Arm zurück und legte gleichzeitig die andere Hand an die Stirn. Die ganze Angelegenheit hatte ihn so aufgeregt, dass er darüber Kopfschmerzen bekam. Ada war sofort in die Knie gegangen und sammelte die Scherben des auf dem Boden zerschlagenen Geschirrs auf.
»Könnte ich, bitte, eine Alka-Seltzer bekommen?«, fragte Niewarth in den Raum hinein, und Ada, die sich angesprochen fühlte, eilte in die Küche. »Ich kann wirklich nicht verstehen, wie Sie es zuließen, Herr Garoche, dass Katuschke uns alle in solche Gefahr bringt.« Otto Niewarth schüttelte den Kopf. Er hatte sich beruhigt und wartete auf das Medikament.
»Niemand hat den alten Säufer ernst genommen. Er galt als schrulliger Künstler. Er hat die Leute in der Gastwirtschaft freigehalten, und die wiederum haben nicht gewusst, was wir hier machen«, klärte Garoche den Kunsthändler auf.
Niewarth nickte nur. »Hoffen wir, dass es so ist.«
Als Ada die Alka-Seltzer gebracht und sich wieder zurückgezogen hatte, fragte er noch, ob und was eigentlich genau das Mädchen wusste. Die Antwort, sie glaube, Katuschke wäre auf eine Studienreise gegangen und käme vor einem halben Jahr nicht wieder, besänftigte Niewarth. Auch Ada hatte sie rundweg zufriedengestellt, weil es für sie eigentlich nicht von Bedeutung war, was es mit seinem Verschwinden auf sich hatte. Nach all den Launen, die sie miterlebt hatte, war sie über sein Verschwinden nicht besonders traurig.
»Dann haben wir ja wohl noch einmal Glück gehabt«, sprach der Galerist zufrieden, erhob sich und zog mit Wedt von dannen, um den Künstler wieder seiner Maltätigkeit zu überlassen.
Als Garoche abends seine Arbeit beendete und die Scheune verließ, warf er noch einen letzten Blick in das verlassene Atelier Katuschkes. Außer dem Maltisch, auf dem einige Pinsel und Tuben mit Farbe lagen, war nur noch Katuschkes Kittel übrig geblieben, der an einem Nagel an der
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