Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
plötzlich das Licht an und ich wurde sekundenlang von der Helligkeit geblendet. Dann sah ich ihn: Mit nichts als einer alten Turnhose am Leib stand mein Vater oben am Treppenabsatz. Sein Haar war zerzaust, sein Gesicht abgezehrt und müde. Doch sein Lächeln war so vertraut und so einladend wie immer.
»Daddy.« Der Schrei kam tief aus meinem Innern und schon sauste ich die Stufen hinauf, warf mich in seine Arme und nahm die Liebe in mich auf, die er mir immer bedingungslos geschenkt hatte. Erst als er mich fest in den Armen hielt, merkte ich, dass ich weinte. Und es war genau so, wie ich befürchtet hatte.
Jetzt, wo ich angefangen hatte, war ich mir nicht sicher, jemals wieder aufhören zu können.
26
Irgendwann am nächsten Tag weckten mich strahlender Sonnenschein, der in mein Zimmer fiel, und die Arme meines kleinen Bruders. »Tempest, du bist wieder da!« Er drückte einen nassen, schmatzenden Kuss auf meine Wange. »Du hast mir so gefehlt.«
»Oh, Moku, du mir auch.« Ich schlang die Arme um ihn, zog ihn aufs Bett und kitzelte ihn, bis er vor Lachen schrie.
»Dad hat gesagt, wir sollen nachsehen, ob du aufstehen willst, oder ob du noch weiterschlafen musst.« Das kam von Rio, der mit den Händen in den Hosentaschen an der Wand lehnte. Er wirkte so nervös und unfreundlich wie immer, nur sein Blick verriet eine zögerliche Art von Freude, wie die Ungläubigkeit eines Kindes am Weihnachtsabend, wenn es vor den Spielsachen steht, die es sich mehr alles andere gewünscht hat.
»Und, willst du den ganzen Tag da stehen bleiben und cool aussehen oder lieber rüberkommen?«, lud ich ihn ein.
Zuerst antwortete er nicht und ich fragte mich, ob ich ihn falsch eingeschätzt hatte, ob er mir mein Fortgehen ebenso übel nahm wie ich mir selbst. Dann stieß er einen Jubelruf aus und kam mit Karacho angerannt. Er warf sich auf mich und zu dritt balgten und kitzelten wir uns, bis mein Vater im Türrahmen auftauchte.
»Okay, okay, das reicht, Jungs. Tempest muss etwas essen.« Er trug ein Tablett mit einem riesigen Double Burger, einer Portion Pommes und einem großen Becher, der, wie ich wusste, einen Schoko-Milchshake enthielt.
Mein Magen knurrte und zum ersten Mal seit Tagen hatte ich das Gefühl, vielleicht wirklich etwas bei mir behalten zu können. Ich griff zu und verbrachte eine geschlagene Minute damit, den Duft des weitbesten Burgers zu inhalieren, ehe ich darüber herfiel.
Nach ein paar Bissen lächelte ich meinen Vater an. »Woher hast du gewusst, dass mir genau danach zumute war?«
»Weil es genau das ist, wonach ich mich sehne, wenn ich eine Weile fort bin.«
So saßen wir lange da, meine Brüder bei mir auf dem Bett, wo sie Pommes stibitzten, und mein Vater nicht weit entfernt im gemütlichen Ohrensessel. Die Jungen berichteten mir, was sie in den zweieinhalb Wochen, die ich fort gewesen war, alles erlebt hatten, erzählten von der Schule und dem neuen Kindermädchen, das mein Vater eingestellt hatte, auch wenn Rio fand, dass er für ein Kindermädchen zu alt war.
Ich brauchte ein paar Minuten, um zu verdauen, dass sich jemand anderes um meine Familie gekümmert hatte, während ich fort gewesen war, dass die Dinge also doch nicht mehr genauso waren, wie ich sie zurückgelassen hatte. Doch warum sollten sie? Ich war auch nicht mehr dieselbe.
Irgendwann hatten die Jungen genug davon, mir von sich zu erzählen, und wollten wissen, was ich in den Tiefen des Ozeans erlebt hatte.
»Wie war es da unten?«
»Hast du Haie gesehen?«
»Wie weit bist du weggeschwommen?«
»Hast du den Meeresboden gesehen?«
»Hast du uns Geschenke mitgebracht?«
Ich beantwortete alle Fragen, einschließlich der Tatsache, dass ich vergessen hatte, Geschenke mitzubringen. Moku sah so enttäuscht aus, dass ich ihm versprach, später mit ihm bummeln zu gehen und ihm zu kaufen, was er wollte. Während er vor Freude jubelte, machte ich mir Vorwürfe. Wie konnte ich mich nur so sehr in meinen eigenen Kümmernissen verlieren, dass ich vergaß, für Moku ein paar Muscheln einzusammeln? Er war nicht anspruchsvoll und so leicht zufriedenzustellen, es hätte mich wirklich nicht viel Mühe gekostet. Wieder etwas, was ich nicht richtig hinbekommen hatte.
Dann stellte Rio die Frage, auf die ich gewartet hatte, seit ich in der vergangenen Nacht meinem Vater tränenaufgelöst in die Arme gefallen war.
»Hast du Mom gesehen?«
Dad rührte sich nicht, aber ich spürte seine unterschwellige Anspannung, den Drang, alles über die Frau
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