Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
berührte, wund an. Mein ganzer Körper war eine einzige vibrierende Gitarrensaite, die darauf wartete, einfach nur darauf wartete, dass der nächste Ton gespielt wurde.
Ich blickte aufs Meer hinaus, sah, wie sich eine Welle auftürmte. Es war die, auf die ich gewartet hatte: ein bisschen angeschwollen, ein bisschen außer Kontrolle, ein bisschen zu groß für jeden, der noch bei klarem Verstand war.
Sie war perfekt - zumal ich mich in diesen Tagen definitiv in den Abgründen meines Verstandes bewegte.
Ich stieß mich ab und glitt auf meinem Board hinaus, ohne auf Marks Rufe und Logans Flüche zu achten. Mein Blut rauschte im Takt mit der Welle und mein Körper bebte förmlich vor Erregung. Während der Brecher unaufhörlich höher stieg, flog der Schaum in alle Richtungen und spritzte mir in Augen, Mund und Nase.
Bitte lass mich nicht vom Brett fliegen, lass mich bloß nicht vom Brett fliegen. Die Worte waren wie ein Mantra, das mir immer wieder durch den Kopf schoss, als ich startete. Wenn meine Beine diesmal nachgaben, wusste ich wirklich nicht mehr weiter. Mark würde mir auf keinen Fall noch eine dumme Ausrede abkaufen, schon gar nicht, wenn uns beiden klar war, dass ich in dieser Welle nichts verloren hatte. Niemand hatte das.
»Tief durchatmen. Es wird alles gut.« Konas Stimme war fest und bestimmt. Etwas, an das ich mich klammern konnte im wütenden Mahlstrom der See und meiner Gefühle.
Erschrocken darüber, ihn aus dieser Entfernung und selbst über das Tosen des Ozeans hinweg hören zu können, drehte ich mich in seine Richtung. Doch als ich ihn ansah, schwieg er, ja, er sah mich nicht einmal an. Allem Anschein nach war er vollauf damit beschäftigt, in der Welle, in die wir gerade hineingestartet waren, den optimalen Punkt zu finden - etwas, das ich besser auch tun sollte.
»Stell den Fuß weiter nach vorne, sonst läuft sie dir weg.« Wieder hörte ich Konas Stimme, spürte die Intensität hinter den Worten. Ich folgte seinen Anweisungen und konzentrierte mich zum ersten Mal, seit ich rausgepaddelt war, auf die Welle. Er hatte natürlich recht: Ich musste mich beeilen, oder ich würde wieder den Abgang machen - diesmal aus purer Dummheit.
In den nächsten Minuten dachte ich weder an meinen Geburtstag noch daran, eine Wassernixe zu sein, oder an Kona; stattdessen surfte ich wie eine Besessene. Als es vorbei war und wir die Welle bis zum Ende abgefahren hatten (Kona sogar noch ein Stück weiter als ich), fühlte ich mich zum ersten Mal seit Langem ruhig. Als ob mein Körper wieder mir gehörte.
Als ob alles gut werden würde.
Mark erwartete mich am Ufer und ich ließ es zu, dass er mich fest in die Arme schloss. Ich konzentrierte mich ganz auf das Gefühl, seinen Körper an meinem zu spüren, sein süßer, warmer, normaler Atem kitzelte mich im Ohr. »Das war der helle Wahnsinn!«, sagte er und fuhr mir mit den Lippen über die Wange bis zum Kinn.
»Ich weiß.« Ich sah lachend zu ihm auf.
Mit einem Grinsen trat er zurück, legte mir den Arm um die Schulter und führte mich den Strand hinauf.
Wir waren schon auf halbem Weg zu meinem Haus, als ich mich besann. Ich blieb wie angewurzelt stehen und suchte den Strand nach Kona ab. Er war nirgends zu sehen. »Wo ist Kona?«, fragte ich. Ich wollte mich bei ihm bedanken, ich wollte ... Ich wusste nicht, was ich von ihm wollte. Ich spürte nur das brennende Verlangen, ihn wiederzusehen. Ich wollte wissen, wie er es fertig gebracht hatte, über das Tosen des Ozeans hinweg mit mir zu reden.
»Warum?«, fragte Mark, dessen Lächeln so blitzartig verschwand, als habe es nie existiert.
»Ich weiß nicht. Ich dachte nur, dass ich ...«Ich verstummte, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte, zumal ich die Anspannung spürte, die Marks ganzen Körper ergriffen hatte.
»Er ist vor ein paar Minuten verschwunden«, sagte Logan, der mich rechts überholte und mir damit eine Antwort ersparte.
»Hast du gesehen, wie er gegangen ist?«
Er warf mir einen komischen Blick zu. »Nein, aber es werden ihm schon keine Flügel gewachsen sein, mit denen er weggeflogen ist, oder?«
Logans Worte erinnerten mich an meine erste Begegnung mit Kona, als er mehr oder weniger vor meinen Augen verschwunden war. Ob ich glaubte, dass ihm Flügel gewachsen seien? Natürlich nicht.
Kiemen hingegen waren etwas anderes.
Zweiter Teil
»Das Heilmittel für alles ist Salzwasser: Schweiß, Tränen oder das Meer.«
ISAK DINESEN
7
Ich sah auf das
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