Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
sagen? Wie sollte ich sie nicht mögen, wenn jedes normale Mädchen vor Begeisterung übergesprudelt wäre?
»Natürlich gefällt sie mir. Sie ist wunderschön.«
Sie war wirklich wunderschön, absolut atemberaubend. Ich sollte mir das Kästchen schnappen, jubeln vor Begeisterung und mir die Kette von Mark umlegen lassen. Ich sollte zum Spiegel rennen und sie mir ansehen.
Doch nichts davon brachte ich zustande, nicht, wenn ich so sehr zitterte, dass ich es kaum noch aushielt. Wenn meine Welt sich anfühlte, als sei sie gerade um mich herum zusammengebrochen.
»Tempest?«, fragte Mark besorgt. »Ich kann dir etwas anderes besorgen. Sie hat mich einfach an dich erinnert, als ich sie gesehen habe.«
Ich betrachtete die goldene Kette. Sie war so gefertigt, dass sie sich um meinen Hals legte wie die Hand eines Liebhabers, das Gold matt und geschmeidig und so perfekt geformt, dass sich die beiden Enden vorn fast berührten. Das eine Ende war ein wunderbar gefertigter Nixenschwanz, der mit lila und blauen Steinen besetzt war und in einen geschwungenen Körper überging, welcher sich mir um den Hals schmiegte, während das andere Ende - das Gesicht einer Wassernixe mit langen, rubinengeschmückten Haaren - mitten auf meiner Brust lag.
»Wie soll sie mir nicht gefallen?«, flüsterte ich matt, noch während ich nach dem Kästchen griff. »Sie ist perfekt.«
Ich schob meine Haare beiseite und ließ mir von ihm die Kette umlegen, ehe ich brav durchs Zimmer ging, um in den nächstbesten Spiegel zu schauen. Mark folgte mir und blieb mit den Händen auf meinen Schultern hinter mir stehen, während wir mein Spiegelbild betrachteten.
»Wow!«, hauchte er. »Sie ist wie für dich gemacht.«
Das war sie wirklich. Ich starrte mich im Spiegel an und gab mir alle Mühe, nicht loszuschreien.
Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr aufhören würde, wenn ich erst einmal anfing.
8
Nachdem ich Mark versichert hatte, wie begeistert ich von seinem Geschenk war, begleitete ich ihn nach draußen zu seinem Motorrad und sah zu, wie er davonfuhr. Ich wusste, dass er verwirrt war, dass er davon ausgegangen war, wir würden dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten, nachdem er mir sein Geschenk überreicht hatte. Doch das Gewicht der Kette an meinem Hals machte alles zunichte, was er in mir zum Glühen gebracht hatte.
Sobald er außer Sichtweite war, rannte ich nach oben und riss mir das Ding vom Hals. Ich wusste nicht, was mir mehr ausmachte, dass er mich gut genug durchschaute, um die Wassernixe in mir zu erkennen, die ich so gut versteckt zu haben glaubte, oder dass er recht hatte. Die Wassernixe passte wirklich perfekt zu mir. Sie sah an meinem Hals absolut fantastisch aus. Als wäre sie nur für mich gemacht.
Ich schauderte bei dem Gedanken.
»Tempest.« Mein Vater öffnete meine Zimmertür einen Spalt weit. »Ich würde gern ein paar Minuten mit dir reden.«
»Nicht jetzt, Dad.«
»Aber wir haben vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu. Du sollst wissen, dass ich es verstehen würde, wenn du dich entscheidest, deiner Mutter zu folgen. Ich ...«
»Das werde ich nicht.« Ich stellte mich vor den Spiegel, betrachtete mich und begann mich meiner menschlichen Attribute zu vergewissern.
»Aber falls du es tust...«
»Das werde ich nicht!«
»Bitte, Tempest, hör mir zu.«
»Das kann ich nicht.« Ich hasste die Tränen, die mir den Hals zuschnürten, aber ich konnte sie nicht aufhalten, genauso wenig wie ich das Voranschreiten der Zeit aufhalten konnte. »Ich kann nicht daran denken, Dad. Ich kann es einfach nicht.«
Er wollte etwas erwidern, schien es sich aber anders zu überlegen, denn am Ende nickte er nur. »Okay.«
»Okay.«
Unsere Blicke begegneten sich im Spiegel. »Alles Liebe zum Geburtstag, Tempest.«
»Ja«, brachte ich mit Mühe und Not heraus. »Danke.«
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
Ich wartete, bis die Tür hinter ihm zufiel, dann warf ich mich in einem Wutanfall aufs Bett. Diesmal weinte ich nicht. Die Wut war zu ungezügelt, zu grundlegend, außerdem fühlte ich mich im Moment völlig leer.
Kurz darauf ging meine Zimmertür erneut auf.
»Dad.«
»Tut mir leid. Ich bringe es einfach nicht über mich, wegzugehen und dich hier drinnen allein zu lassen, wenn ich weiß, dass du unglücklich und verängstigt bist.«
»Ich bin nicht...«
»Mach mir nichts vor, Süße.« Er kam zu meinem Bett und erst da bemerkte ich, dass er ein Tablett mit einer Kanne und zwei Tassen balancierte. Er hatte mir
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