Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
Nacht selbst nichts geahnt hatte.
Ohne mir Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, griff ich in den Sand und häufte mehrere Hände voll auf das klaffende Loch in Konas Brust. Schaudernd versuchte ich alles zu ignorieren, was ich über Bakterien und offene Wunden wusste, und konzentrierte mich stattdessen darauf, die gesamte Wunde mit Sand zu bedecken.
Die Blutung verlangsamte sich zu einem heftigen Sickern, trotzdem wurde Kona mit jeder Sekunde blasser, seine unwillkürlichen Bewegungen wurden immer schwächer und waren kaum noch zu sehen.
Es reichte nicht. Nichts von dem, was ich tat, reichte aus. Kona entglitt mir, und meine grandiose Idee, ihm mit Wasser zu helfen, bereitete ihm nur Schmerzen.
Was hatte ich mir bloß dabei gedacht, mich auf meinen Instinkt zu verlassen? Auf welchen Instinkt? Dem, der mich von meiner eigenen Party vertrieben und diesen ganzen Schlamassel erst verursacht hatte?
Ich spielte kurz mit dem Gedanken, nach Hause zurückzurennen. Mein Vater könnte helfen - doch ich war zu weit weg. So wie Kona blutete, würde er auf keinen Fall durchhalten, bis ich zum Haus gerannt und wieder hierher zurückgekehrt war. Außerdem war ich mir selbst nicht sicher, wie ich mich gegen das Gewitter und die schwankende Erde behaupten sollte, wo ich kaum das kurze Stück bis zum Wasser und zurück geschafft hatte.
Das war es, durchzuckte mich ein Gedanke. Kona war ein Wasserwesen. Er brauchte mehr Wasser, viel mehr Wasser als dieser blöde Eimer fassen konnte. Es lag nicht daran, dass ihm das Wasser vorhin nicht hatte helfen können - es lag daran, dass es nicht genug gewesen war.
Wenn es überhaupt eine Chance gab, ihn zu heilen, musste er ganz ins Meer eintauchen.
Was für mich bedeutete, dass ich ihn ins Wasser schaffen musste. Ich streckte den Kopf zwischen den Felsen hervor und wäre fast von einem Blitz erwischt worden, der nur Zentimeter neben mir einschlug. Wie zum Teufel sollte ich Kona dort hinunterschleppen, wenn ich es selbst nur mit knapper Not geschafft hatte?
Ich drehte mich zu Kona um und wusste, dass ich keine Wahl hatte. Auch wenn er selbstständig atmete, klangen seine Atemzüge flach und rasselnd. Entweder ich unternahm einen letzten verzweifelten Versuch, ihn zu retten, oder ich konnte daneben sitzen und ihm endgültig beim Sterben zusehen.
Ich verfluchte meine Mutter, meine Gaben und was sonst noch dafür verantwortlich war, dass wir mitten in diesem mörderischen Albtraum gelandet waren, ging hinter Kona in die Hocke und packte ihn unter den Armen. Dann begann ich zu ziehen - und wäre dabei fast auf der Stelle hingefallen.
Er war viel schwerer, als er aussah, dabei wirkte er ohnehin nicht gerade wie ein Leichtgewicht. Aber andere Möglichkeiten hatte ich schließlich nicht. Also zerrte und zog, schleppte und schleifte ich ihn durch den Sand, während die Welt um uns herum endgültig wahnsinnig wurde.
Wenn ich das, was bisher geschehen war, für schlimm gehalten hatte, dann musste das, was sich nun abspielte, tatsächlich einem Albtraum entsprungen sein. Um uns herum erwachte der Sand zum Leben, versuchte mich an den Knöcheln zu packen und Kona mit stählernen Klauen festzuhalten. Ich achtete nicht darauf und redete mir ein, dass es bloß Hirngespinste dieser scheußlichen Wasserhexe waren, die sich so gern in meinem Kopf versteckte. Weniger leicht war es, meine wundgescheuerten Knöchel zu ignorieren, die mir das Ziehen und Zerren im rauen Sand einbrachte. Aber ich konnte Kona nicht für mich sterben lassen, ich konnte es einfach nicht.
Ich schleppte mich noch ein paar Schritte weiter und begann vor Erleichterung fast zu schluchzen, als ich sah, dass das Wasser näher war, als ich gedacht hatte. Wieder war es über den Strand auf mich zugelaufen, nur dass es diesmal die Rettung brachte statt den sicheren Tod. Ich nahm mir nicht die Zeit, darüber nachzudenken, wie merkwürdig es war, dass das Wasser meine Verzweiflung zu ahnen schien.
Ich zerrte Kona die letzten Schritte bis zu der merkwürdig hohen Wasserlinie und hörte die Hexe - oder was immer es war - in meinem Kopf schreien und wüste Drohungen ausstoßen. Ich ignorierte sie ebenso wie den grapschenden Sand. Ich hatte keine andere Wahl.
Sobald ich den ersten Schritt ins aufgewühlte Meer machte und das Salzwasser an meinen blutenden Knöcheln zu lecken begann, durchfuhr mich ein brennender Schmerz. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu schreien - oder noch schlimmer, zu wimmern. Dann ging ich tiefer hinein,
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