Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
Vater, dass ich keine Wassernixe werden wollte? Nach der heutigen Nacht war ich mir nicht einmal sicher, ob ich jemals wieder einen Fuß in den Ozean setzen wollte - nicht einmal zum Surfen. Der Himmel mochte wissen, was dort draußen lauerte.
Doch zunächst musste ich es natürlich schaffen, bis morgen zu überleben, was immer unwahrscheinlicher zu werden schien, denn in diesem Moment tat sich direkt vor meinen Füßen ein Spalt auf und ich wäre beinahe mit dem Kopf voran hineingefallen. Ich konnte gerade noch rechtzeitig abstoppen, doch es war mühsam, ihn zu umgehen, vor allem, weil ich furchtbare Angst hatte, dass der Spalt sich vergrößern und mich im nächsten Augenblick verschlucken könnte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich diese Befürchtung verlacht, aber jetzt kam sie mir nur allzu real vor.
Tu’s nicht. Die Stimme war wieder da. Du bringst ihn sonst um.
Ich hielt inne, die Angst war wie ein wildes Tier, das mir gegen die Rippen trat. War ich im Begriff, den größten Fehler überhaupt zu machen? Würde das Wasser jede Hoffnung zerstören.
Ja! So ist es. Weg mit dem Wasser. Schütte es in den Sand. Vergiss -
Nein! Ich verdrängte die Stimme, versuchte sie aus meinem Kopf zu verbannen. Ich tat das Richtige. So musste es sein, es war meine einzige Chance. Entweder das oder Kona war für immer verloren - nur, weil er genug für mich übrig gehabt hatte, um mir zu folgen und sich zwischen mich und die wie auch immer geartete Hölle zu stellen, die mich dort draußen erwartete und gegen die ich mich allein nicht zu verteidigen wusste.
Bei jedem Schritt den Strand hinauf wurde der Wind stärker. Sand wirbelte durch die Luft, zusammen mit Muscheln und Tang; seltsame, aber wirkungsvolle maritime Geschosse, die durch Windstöße von harmlosem Schutt in schmerzhafte Waffen verwandelt wurden.
Rasiermesserscharf prallten die Muscheln auf meine überempfindliche Haut, doch ich blieb nicht stehen. Ich durfte nicht. Es würde den Tod bedeuten. Für Kona und für mich.
Ich stolperte weiter und gelangte endlich, endlich zurück in den dürftigen Schutz der Felsen. Kona lag noch da, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Mit einem schnellen Stoßgebet flehte ich darum, das Richtige zu tun, und kippte das Wasser direkt auf seine Wunde.
Sobald ihn das Wasser berührte, fing die Verletzung an zu zischen. Kona schnappte keuchend nach Luft und sein Körper begann auf dem kalten, harten Sand krampfartig zu zucken.
Von Erleichterung durchströmt, ließ ich mich neben ihm auf die Knie fallen. »Kona. Hörst du mich?« Keine Antwort. »Kona?«
Sein Stöhnen war so leise, dass ich es zwischen dem grollenden Donner und den berstenden Blitzen kaum hören konnte. Doch es war da und machte mir Hoffnung, als ich gerade aufgeben wollte. Trotzdem wachte er nicht auf. Die hässliche schwarze Brandwunde verwandelte sich vor meinen Augen, sie brach auf und wurde zu einer ausgefransten Schnittwunde, als hätte jemand mit einem Sägemesser auf ihn eingestochen.
Blut begann aus der Öffnung zu strömen.
Eine Zeit lang konnte ich sie einfach nur anstarren, dann hob ich den Kopf und suchte instinktiv nach Hilfe. Aber natürlich war in den letzten fünf Minuten niemand aufgetaucht. Nachdem ich auf meiner Party die Flucht ergriffen hatte, war ich ein ganzes Stück den Strand entlanggestürmt, bis in eine entlegene Gegend, in der weder Häuser noch Hotels zu sehen waren. Niemand lebte hier in der Nähe und der Sturm hielt alle Besucher fern. Ich war ganz allein.
Mit einem von Logans liebsten - und übelsten - Flüchen auf den Lippen riss ich mir das Neckholder-Top vom Leib, drückte es auf die Wunde und kämpfte verzweifelt darum, die Blutung zu stoppen.
Das war gut, versuchte ich mir einzureden, während ich mich zum zweiten Mal in dieser Nacht zusammenreißen musste, um nicht hysterisch zu werden. So war es besser. Kona zuckte, als habe er Schmerzen, doch es war immerhin ein Fortschritt. Zumindest bewies es, dass er noch am Leben war.
Als das Blut jedoch den gelben Stoff durchtränkte und meine Finger verklebte, fragte ich mich, wie lange ich ihn noch am Leben halten konnte.
Ich drückte fester, aber mein Top war vollgesogen und konnte kein Blut mehr aufnehmen. Warum hatte ich keinen Rollkragenpulli getragen? Es war Februar, wer lief im Februar schon mit einem Neckholder-Top herum?
Nimm den Sand.
Der Gedanke kam mir auf die gleiche Weise wie die Idee mit dem Wasser - von einem Ort tief in meinem Innern, von dem ich bis heute
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