Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
mehr das Gefühl, auf einem Selbstmordtrip zu sein, auf einer Mission, von der es keine Wiederkehr gab. Ich schwamm schnurgerade vom Ufer fort, in die völlige Dunkelheit hinaus; ich verbrauchte meine Kräfte, trieb mich an meine Grenzen, und wenn das hier nicht funktionierte, hatte ich wenig Hoffnung, es zum Strand zurückzuschaffen.
Ein Teil von mir wollte aufhören. Mehr als einmal hätte ich es fast getan. Doch dann leuchtete Konas blasses, erschöpftes Gesicht hinter meinen geschlossenen Lidern auf und ich hätte schwören können, dass ich spürte, wie seine Lippen meine berührten, so wie sie es schon zwei Mal getan hatten.
Entschlossen spannte ich die Muskeln an und kraulte weiter. Ich ließ keinen anderen Gedanken mehr zu als den an den nächsten Beinschlag, den nächsten Atemzug, bis ich an gar nichts mehr dachte und nur noch eine Maschine war, die sich auf die nächste Bewegung konzentrierte. Dann die nächste und wieder die nächste.
Das war der Grund, warum ich zunächst kaum bemerkte, dass es schließlich passierte.
Es begann mit einem Brennen in der Brust, Atemnot raubte mir die Kraft und ließ mich nach Luft ringen. Ich versuchte krampfhaft Sauerstoff in meine schmerzende Lunge zu saugen, doch es ging nicht. Röchelnd und keuchend fragte ich mich, ob ich am Ende nicht doch zu weit gegangen war.
War mein Körper zu erschöpft, um weiterzumachen?
Würde ich nun ertrinken?
Mein Vater, aber auch die Gesichter von Rio und Moku, Mark, Bri, Mickey und Logan gingen mir durch den Kopf, während ich verzweifelt meine Kehle umklammerte. Mich an ihr festkrallte. Sie zwingen wollte, ihre Arbeit zu tun und endlich Luft in meine Lunge zu transportieren.
Sie würden nie erfahren, was mit mir geschehen war, würden glauben, ich sei einfach verschwunden. Dad und meine Brüder würden annehmen, dass ich das Gleiche getan hatte wie meine Mutter: dass ich mich in eine Wassernixe verwandelt hatte und ohne einen weiteren Gedanken an sie hinabgetaucht war. Was meine Freunde anging, konnte ich mir gar nicht vorstellen, welche Schreckensszenarien sie sich für mich ausmalen würden.
Um mich herum wurde es immer schwärzer, auch wenn mir schleierhaft war, wie das möglich sein sollte. Ich befand mich ohnehin in stockdunkler Nacht. Sah nichts. Hörte nichts als das Donnern der Wellen. Und ich fragte mich unwillkürlich, ob meiner Mutter vielleicht das Gleiche widerfahren war? Hatte sie so gelitten? War sie so gestorben? War das der Grund, warum sie nie zurückgekehrt war?
Ich ging unter, ehe der Gedanke richtig zu mir durchdringen konnte, und musste mich zwingen, mich wieder an die Oberfläche zu kämpfen.
Ging wieder unter und versuchte abermals, an die Oberfläche zurückzufinden.
Doch ich schaffte es nicht. Ich würde sterben. Und Kona, Kona war für immer verloren. Wir beide waren es.
Ich sank tiefer, das Wasser zog mich immer weiter hinab. Die Angst war verschwunden und an ihre Stelle eine Müdigkeit getreten, die mir riet, nachzugeben, einfach aufzugeben. Ich konnte nicht mehr kämpfen. Es war vorbei.
Ich machte die Augen zu und öffnete den Mund. Schluckte einen Mund voll Wasser und betete.
Die Zeit verging; lange, quälende Sekunden, in denen ich darauf wartete, dass der Tod mich holte. Eine Minute, zwei, dann merkte ich plötzlich, dass meine Lunge nicht mehr wehtat. Dass die Benommenheit - und die Erschöpfung - verschwunden waren.
War ich schon tot? Hatte ich alles verpasst? Aber wie konnte das sein? Hatte der Tod wirklich solche Ähnlichkeit mit dem Leben?
In diesem Moment spürte ich ein unbekanntes Flattern hinter den Ohren. Das Öffnen und Schließen der kleinen Schlitze, die mir in den letzten Tagen solchen Kummer bereitet hatten.
Meine Kiemen arbeiteten. Ich atmete - im Wasser.
Himmel! Hieß das, die Verwandlung hatte schließlich doch noch eingesetzt? War ich jetzt eine Wassernixe?
Ich machte vorsichtig die Augen auf und wartete auf das Brennen und die Dunkelheit. Stattdessen leuchtete die ganze Unterwasserwelt um mich herum wie das Horton Plaza Shopping Center zu Weihnachten. Ich konnte kilometerweit sehen, in phosphoreszierenden Blau-, Grün-, Rot- und Gelbtönen.
Überall waren Fische, flitzten um mich herum und stupsten mich an, um das merkwürdige Wesen zu erkunden, das sich plötzlich und ganz und gar perplex in ihrer Mitte befand.
Ich nahm die Hände zu Hilfe und schlug einen Salto, um zu sehen, ob ich eine Schwanzflosse hatte. Aber nein, meine Beine waren noch da. Meine Jeans waren
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