Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
zerfetzt und zwischen den Zehen befand sich ein merkwürdiges Gewebe, das vorher nicht dort gewesen war. Aber ich hatte definitiv noch Beine.
Merkwürdig.
Vielleicht waren es doch nicht meine Kiemen, die mir beim Atmen halfen. Vielleicht war ich einfach tot. Probehalber schnickte ich kurz mit den Füßen und schoss fast eineinhalb Meter davon. Ich probiert es noch einmal und glitt noch weiter und noch schneller davon.
Mein Verstand suchte fieberhaft nach einer Erklärung. Ich hatte schon einmal eine Schwanzflosse besessen, in den wenigen Sekunden, nachdem ich vom Surfboard gefallen war. Außerdem wusste ich, dass Wassernixen Fischschwänze hatten. Aber jetzt hatte ich Beine. Was hatte das zu bedeuten?
Was hatte das alles zu bedeuten?
Ein kleiner Fisch huschte vor mein Gesicht und schwamm durch ein paar Haarsträhnen, die sich wie ein seltsamer blonder Vorhang hinter mir ausbreiteten. Ein weiterer Fisch kam angeschwommen, tat das Gleiche und brachte mich zum Lachen. Dann hielt ich mir erschrocken den Mund zu, aus Angst, ich könnte mich verschlucken. Doch das Wasser drang mir nicht in die Lunge, sondern strömte folgenlos in meinen Mund und wieder hinaus. Unwillkürlich dachte ich an das viele Meerwasser, das mir im Laufe der Jahre beim Auftauchen den Hals verätzt hatte, und ich fragte mich, ob diese Wassernixengeschichte vielleicht mehr Gutes hatte, als gedacht.
Verblüfft darüber, wie weit ich mit einem Beinschlag kam, schwamm ich ein wenig herum. Meine Jeans bremsten mich ab, was mich ärgerte, daher zerrte ich sie herunter und ließ sie davontreiben. Doch allmählich verblasste die Faszination meiner Umgebung und Kona fiel mir wieder ein.
Er war hier irgendwo und ich hatte jetzt die Mittel, um ihn einzuholen. Vielleicht. Es war ein großer Ozean und diese Viecher hatten einen Riesenvorsprung, weil ich mich dort oben, über Wasser, so lange abgestrampelt hatte. Trotzdem musste ich es versuchen.
Vor mir befand sich ein langer silberner Streifen, der haargenau der Farbe von Konas mitternächtlichen Augen entsprach. Da ich kaum eine andere Wahl hatte, wie ich annahm, folgte ich dem Streifen in der Hoffnung, Kona tatsächlich näherzukommen und nicht von ihm fortzuschwimmen. Um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung, was ich sonst tun sollte. Ich steckte in einem Zwischenstadium zwischen Mensch und Wassernixe fest - war nun ein Sonderling in beiden Welten - und es gab kein Zurück mehr.
Also schwamm ich los und folgte dem wogenden Silberstreifen, als hinge das Schicksal der Welt davon ab. Und auf eine merkwürdige Weise war es auch so. Vielleicht betraf es nicht die ganze Welt, aber mit Sicherheit meinen kleinen Teil davon.
Ich glitt durchs Wasser, das sich auf meiner Haut wunderbar kühl und erfrischend und ach, so angenehm anfühlte. Zum ersten Mal, seit ich denken konnte, reagierte ich nicht mit gemischten Gefühlen auf den Ozean. Die Angst, die Wut und das Misstrauen waren verschwunden; stattdessen empfand ich pure Freude darüber, endlich dort zu sein, wo ich hingehörte - auch ohne Nixenschwanz.
Der Silberschweif erstreckte sich über viele Kilometer und ich folgte ihm mit wachsender Besorgnis. Kona war in so schlechter Verfassung gewesen, er hatte mit dem Tode gerungen, als sie ihn sich geschnappt hatten.
Hatte er es überlebt? Hatte der Ozean ihn geheilt?
Oder hatten sie sich seinen geschwächten Zustand zunutze gemacht, um ihn umzubringen?
Natürlich wusste ich nicht einmal, ob er unter Wasser atmen konnte. Ich vermutete, dass er kein Mensch war, dass er mehr war als das, aber ich wusste es nicht mit Sicherheit. Wenn er es nicht war, dann war er garantiert bereits tot.
Irgendetwas berührte mich und ich wandte den Kopf und rechnete damit, einen weiteren Fisch zu sehen. Stattdessen war es der Arm eines Kraken, dessen Tentakel über meinen nackten Bauch strichen, während er mit seinen undurchdringlichen Augen förmlich durch mich hindurchsah.
Ich schauderte und zwang mich, nicht zurückzuschrecken, indem ich mir in Erinnerung rief, dass das Gift seiner Fangarme mir nichts anhaben konnte, anders als das des Blauringkraken, dem Dad und ich vor ein paar Jahren bei einem Besuch in Australien begegnet waren.
Trotzdem jagte er mir eine Heidenangst ein. Er war zwar nicht gerade riesig, aber dennoch mindestens halb so groß wie ich, und als ich genauer hinsah, wurde mir klar, dass es noch mehr von seiner Sorte gab. Viel mehr. Ich musste in einen regelrechten Krakenschwarm geraten sein.
Mit festen,
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