Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
um sicherzustellen, dass Kona bis zum Hals eintauchte.
Im gleichen Moment, in dem ich ihn ganz im Wasser hatte und der Ozean seine Wunde berührte, fuhren runzlige schwarze Hände aus dem Wasser, packten ihn an Armen und Beinen und zogen ihn unter die Wasseroberfläche.
15
Ich schrie los, schrie Konas Namen, immer und immer wieder.
Dann tauchte ich unter und suchte ihn in den sturmgepeitschten Wellen. Ich tauchte, bis mir die Lunge wehtat und die Augen brannten, suchte nach einer Spur, nach irgendeinem Zeichen von ihm. Doch er war verschwunden und mit ihm die furchterregenden Kreaturen, die ihn hinabgezogen hatten.
Nah am Ufer kam ich wieder an die Oberfläche, sog mit tiefen Atemzügen Luft in meine Not leidende Lunge und stellte verblüfft fest, dass der Sturm sich vollkommen gelegt hatte. Der Himmel war klar und der Ozean ruhig.
Hatten sie also bekommen, was sie wollten? War von Anfang an Kona ihr Ziel und ich nur eine Schachfigur gewesen?
Dann fiel mir die Stimme wieder ein und die Dringlichkeit, mit der sie verlangt hatte, dass ich zu ihr kommen sollte. Nein, nicht Kona war ihr Ziel gewesen, ich war es. Er hatte sich geopfert, um mich zu retten. Die Schuldgefühle brachten mich fast um, aber noch stärker war der verzweifelte Wunsch, ihn zu finden.
Ich konnte ihn nicht diesen scheußlichen Wesen überlassen, nicht, ohne wenigstens zu versuchen, ihn zurückzuholen. Er hatte Besseres verdient.
Mit jeder Sekunde, die ich hier verweilte und Wasser trat, entfernten sie sich mehr und mehr.
Ich holte tief Luft und tauchte abermals hinab. Mir war klar, dass ich keine Chance hatte, sie in menschlicher Gestalt zu erwischen, und ich hatte keine Ahnung, wie man eine Wassernixe wurde. Schon bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht, aber Kona war dort draußen und er brauchte mich.
Einen Moment lang sah ich ihn vor mir, wie er am vergangenen Abend ausgesehen hatte: Alles, was er für mich empfand, hatte in seinem unverhüllten Blick gelegen. Übermannt von meinen eigenen Gefühlen für ihn wusste ich, dass ich alles tun würde - selbst das -, um ihn aus den Klauen der Wasserhexe zu befreien.
Es gab nur ein Problem. Ich hatte mich so lange gegen die Verwandlung gewehrt, dass ich jetzt, wo sie mir vorübergehend recht gewesen wäre, wo ich sie brauchte, keine Ahnung hatte, was ich tun musste.
Ich schoss durchs Wasser und schwamm geradewegs hinaus in die Finsternis des nächtlichen Ozeans. Mein Herz klopfte wie ein rasendes Metronom und ich spürte, wie ich zitterte. Ich versuchte mir einzureden, dass es an der Kälte lag, doch in Wahrheit war mir schon lange nicht mehr so warm gewesen. Das Adrenalin jagte durch meinen Körper und ich schwamm mit abgehackten, unsicheren Armbewegungen, während ich krampfhaft versuchte, nicht an die Katastrophe zu denken, die ich gerade heraufbeschwor.
Wassernixe, dachte ich und zitterte angesichts der Bedeutung dessen, was ich tat. Dass ich mir nun herbeiwünschte, was ich so lange hatte vermeiden wollen.
Aber ich konnte ihnen Kona nicht überlassen, der doch nur deshalb an den Strand gekommen war, um mich zu retten.
Ich muss zur Wassernixe werden, dachte ich wieder und konzentrierte mich mit aller Kraft. Ich schwamm weiter und wartete darauf, dass sich der Nixenschwanz ausbilden und meine Kiemen die Arbeit aufnehmen würden. Doch nichts geschah.
Warum überrascht mich das nicht?, dachte ich bitter. Nichts an dieser Verwandlung, an dieser Entscheidung, hatte sich bislang als nützlich erwiesen. Alles war im absolut ungünstigsten Moment passiert. Warum sollte es also gerade jetzt geschehen, wo es wirklich dringend notwendig war?
Trotzdem schwamm ich weiter. Ich wollte mich nicht zum Ufer umdrehen und feststellen, wie weit die Lichter entfernt waren. Es spielte keine Rolle. Kona war irgendwo dort unten Gott-weiß-wem ausgeliefert, und ich musste ihn zurückholen.
Die Wellen wurden unruhiger, das Wasser kälter und ich wusste, dass ich mich weiter draußen befand als je zuvor. Ich gab mir alle Mühe, nicht an meine vielen Kratzer und Risswunden zu denken, die bei jedem Armschlag und jeder Beinbewegung ins Wasser bluteten. Nicht an all die nächtlichen Räuber, die jetzt auf der Jagd nach Beute waren. Wenn ich es tat, würde ich in Panik ausbrechen. Und das würde mir absolut nicht weiterhelfen.
Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Gefühl des Wassers auf meiner Haut, die Kraulbewegungen meiner Arme, das rhythmische Drehen meines Kopfes beim Atmen.
Ich hatte mehr und
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