Deer Lake 02 - Engel der Schuld
pervers? Die Flucht in die reale Trag ö die eines anderen? «
Es ist doch nur eine Story. Er wiederholte sich diese bequeme Antwort, die er Ellen gegeben hatte, obwohl er genau wußte, daß mehr dahinter steckte. Trotzdem klammerte er sich an die Lüge, um nicht den Verstand zu verlieren.
Der Fall kam ihm zeitlich sehr gelegen und war faszinierend. Darüber zu schreiben war sein Job, und den machte er verdammt gut. Und so war er nach Deer Lake gekommen . . .
In solch blinder, verzweifelter Hast, daß er kaum mehr als eine frische Unterhose eingepackt hatte.
Er widerstand der Verlockung einer Selbstanalyse und wandte seine Aufmerksamkeit der Umgebung zu. Das Haus war, am Standard von Deer Lake gemessen, überteuert, und es war schon lange genug auf dem Markt gewesen, daß die Eigentümer dankbar drei Monate Wuchermiete akzeptiert und ihm die Schlüssel und die Last des Heizens überlassen hatten.
Bis jetzt war er mit der Heizung nicht sehr erfolgreich gewesen. Obwohl er den Thermostat bis zum Anschlag hochgedreht hatte, schienen die Zimmer kalt zu bleiben, als ob es Möbel und einer Familie bedurfte, um die Wärme zu halten, die sich ansonsten durch das Dach verflüchtigte und gierig von der Kälte verschluckt wurde. Er hatte sich im Wohnzimmer eingerichtet, weil der riesige steinerne Kamin zumindest Wärme versprach. Leider hatte der vorherige Eigentümer alles Kaminzubehör mitgenommen, auch das Gitter. Kein einziger Kienspan und kein Streichholz war übriggeblieben, ganz zu schweigen von einem Stapel künstlicher Scheite, die sich durch bloßes Antippen eines Schalters zum Glühen bringen ließen.
Er stand auf und versuchte die Knoten aus seinem Rücken zu stretchen, die er von der Nachtruhe in einem Schlafsack auf dem Boden bekommen hatte. Sein Blick schweifte langsam durchs Zimmer, verglich es automatisch mit Ellens gemütlichem Wohnzimmer. Hier gab es nur Leere und Unbeständigkeit. Statt gepolsterter Sessel hatte er schlecht geflochtene Gartenstühle, die er in der Garage gefunden hatte. Statt eines Couchtisches aus Kirschholz hatte er zwei zweieinhalb Meter lange gemietete Klapptische mit wild gemasertem Plastikfurnier. Statt Volks kunst und Topfpflanzen geleaste Bürogeräte – Laserprinter, Kopierer, Fax mit Anrufbeantworter. Die Tische waren übersät mit Heftern und Zeitungsausschnitten. Sein Laptop stand mit leerem Monitor offen und wartete darauf, mit Worten gefüllt zu werden, die die Geschichte für Hunderttausende von Leuten, die seine Bücher lasen, zum Leben erweckten.
Er wandte sich ab und ging in die Küche, um sich einen frischen Kaffee zu holen – aus der Kaffeemaschine, die neben der Schachtel stand, in der man sie geliefert hatte. Er hatte die Schränke mit Papptellern und – tassen bestückt, den Kühlschrank mit Bier, den Gefrierschrank mit Pizzas und Fertiggerichten. Seit seiner Scheidung vor fünf Jahren hatte er das Kochen den Restaurantchefs überlassen. Wenn er sich selbst eine Mahlzeit bereitete, erinnerte ihn das nur daran, daß er keinen hatte, mit dem er sie teilen konnte.
Trotzdem fehlte ihm Christine nicht wirklich. Gelegentlich betrauerte er den Verlust des Mädchens, das sie einmal gewesen war hübsch, süß, anspruchslos. Die Frau, die ihn verlassen hatte, war eine andere gewesen. Im nachhinein betrachtet hatten sie von Anfang an nicht zusammengepaßt. Christine hatte ein tiefverwurzeltes Bedürfnis nach Stabilität, er war leichtsinnig und impulsiv. Die strahlende heiße Liebe, die zwischen ihnen entflammt war, hatte sich schnell abgekühlt und war von Frust vergiftet worden. Frust nährte Abneigung. Abneigung erzeugte Schmerz. Mit dem Schmerz kam die Desillusionierung.
Und Ha ß . Sie mu ß mich geha ß t haben. Mu ß mich immer noch hassen.
Gedanken, die er schon seit einer Woche in Schach zu halten versuchte, schlichen sich ein. Sie waren immer sehr dicht unter der Oberfläche, wenn er müde war. Er verfluchte seine Exfrau, weil sie vor einer Woche für diese paar Tage in sein Leben zurückgekommen war, gleichgültig, wie zufällig ihr Treffen gewesen sein mochte. Er hatte Christine längst überwunden. Aber er wußte nicht, wie er je das überwinden konnte, was sie ihm ohne seine Zustimmung und ohne sein Wissen angetan hatte.
Vor seinem geistigen Auge sah er den Jungen neben ihr stehen, mit seiner dicken Tolle brauner Haare und den himmelblauen Augen.
Sie mu ß mich geha ß t haben. Mu ß mich immer noch hassen.
Er nippte an dem Kaffee, der stark genug
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