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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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stieß. Sie schienen weit entfernt zu sein, obwohl die Entfernung seiner Schätzung nach höchstens einen Kilometer betrug. Ein Gefühl von Isolation beherrschte ihn, das nur wenig mit Entfernungen zu tun hatte.
    Hier draußen hatte man Josh Kirkwoods Jacke gefunden, versteckt im Unkraut, gleich neben einem Weg, der zum Schnee-mobilfahren und zum Skilaufen genutzt wurde. Eine ältere Frau namens Ruth Cooper hatte ihren Hund von der Leine gelassen, obwohl der Windchillfaktor an diesem Tag eine Temperatur von fünfzig Grad Fahrenheit unter Null suggerierte. Der Labrador hatte die Jacke aus dem Unkraut gezogen, und Ryan's Bay war zum Mittelpunkt der Suche und zum Tummelplatz der Medien geworden.
    Jay konnte sich sehr deutlich an den Fernsehbericht erinnern, in dem Paul Kirkwood auf Knien in den Schnee gefallen war, den Anorak seines Sohnes fest umklammernd, und geschluchzt hatte. » Oh, mein Gott, Josh! Josh! O Gott! Nein! «
    Er konnte immer noch den Schmerz in der Stimme hören, spürte, wie er ihn wie eine Lanze durchbohrte. Für einen flüchtigen Augenblick versetzte er sich an Paul Kirkwoods Stelle und versuchte sich auszumalen, welch wilde, hemmungslose Panik ihn zerreißen würde, wenn von seinem eigenen Sohn nur eine Jacke und die verkorkste Botschaft eines Wahnsinnigen zurückgeblieben wäre.
    Das Gefühl traf ihn mit körperlicher Wucht, strafend, erdrückend. Neunmal schärfer als der Schmerz, den er hierher mitgebracht hatte. Er verdrängte ihn, verfluchte sich als Masochisten. Er brauchte nicht zu empfinden, was diese Leute empfanden, er mußte es nur zu Papier bringen.
    Mit diesem Vorsatz ließ er seinen Kaffee stehen, packte seinen Mantel und ging zur Tür.
    Die Steuerkanzlei Christianson und Kirkwood war in einem neuen würfelförmigen, einstöckigen Backsteingebäude mit dem grandiosen Namen The Omni Complex untergebracht. Laut Mieterverzeichnis im Foyer beherbergte das Gebäude auch eine Immobilienfirma, eine Versicherungsagentur und zwei kleine Anwaltskanzleien.
    Jay ging die Treppe hoch, fand die Eichentür mit dem richtigen Schild und betrat das Vorzimmer, das aussah wie tausend andere Vorzimmer, in denen er gewesen war – weiße Wände mit Pseudo-Westernkunst, die unerläßliche Topfpalme, nichtssagende Möbel aus Eiche mit beigefarbenen Polstern. Eine Sekretärin mit brandroten Haaren hob fragend den Kopf von ihrem Computerterminal und stutzte, als sie ihn erkannte.
    »Ist Mister Kirkwood da?« fragte Jay und lächelte. »Ich heiße Jay Butler Brooks. Ich möchte ein paar Minuten mit ihm sprechen, wenn's möglich wäre.«
    Die Sekretärin hielt die Luft an, und ihre runden Augen glänzten wie Silberdollars in ihrem sommersprossigen Gesicht. Offensichtlich hatte es ihr die Sprache verschlagen, aber sie erhob sich aus ihrem Stuhl und verschwand in Paul Kirkwoods Büro. Jay beäugte das kleine Sofa, das wohl wegen des Dekors und nicht wegen der Bequemlichkeit ausgewählt worden war, und zog es vor stehenzubleiben. Sein eigenes Gesicht starrte ihn vom Titel eines alten People -Magazin auf dem Couchtisch an.
    »Mister Brooks.« Ein attraktives Lächeln verwandelte Paul Kirkwoods Mund, als er aus seinem Büro geschritten kam. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
    Jay schloß den Abstand zwischen ihnen. »Ich habe die bedauerliche Angewohnheit, einfach bei Leuten reinzuschneien. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
    »Nein, nein, überhaupt nicht.« Kirkwood nahm automatisch Jays dargebotene Hand, aber sein Griff war unsicher. »Kommen Sie in mein Büro. Möchten Sie einen Kaffee, Mister Brooks?«
    »Für mich nicht, danke«, sagte Jay.
    Während Paul seiner Sekretärin Anweisungen gab, sie nicht zu stören, nahm sich Jay einen Moment, um sich im Zimmer umzusehen, Hinweise auf Joshs Vater zu suchen. Die Möbel waren, genau wie im Vorzimmer, aus Eiche und hatten glatte abgerundete moderne Linien. Ein gerahmter Druck von Wildenten hing an einer dunkelgrünen Wand. An eine andere waren Diplome und Zertifikate gehängt. Das Büro war sauber und ordentlich – zwanghaft ordentlich. Wäre da nicht eine offene Akte auf dem Schreibtisch gewesen, hätte er geglaubt, in den Ausstellungsraum eines Möbelladens geraten zu sein. Das einzige Anzeichen dafür, daß Paul Kirkwood hier wohnte, war die ordentlich gefaltete, grün karierte Decke auf dem Sofa.
    »Ich habe in der Zeitung gelesen, daß Sie versucht haben, Richter Franken wiederzubeleben«, sagte Paul, als er das Büro betrat und die Tür hinter sich

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