Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Paul versuchte hastig, seinen Fehler zu übertünchen. »Er verdient, daß für ihn etwas dabei rausspringt.«
Jay hatte sich in dieser Hinsicht schon entschieden, noch ehe er in das Flugzeug nach Minnesota gestiegen war. Er würde einen Treuhandfonds für Josh gründen, so wie er das für die anderen Opfer, deren Geschichten er erzählt hatte, getan hatte. Ein beachtlicher Brocken des Vorschusses auf das Buch und der Tantiemen würde dorthin gehen. Das war seine übliche Vorgehensweise, eine Praxis, die er aus naheliegenden Gründen vor der Presse absolut geheimhielt.
Und er zog es auch vor, Paul Kirkwood diese Information vorzuenthalten. Paul war beim Test durchgefallen. Es ist mein Leben . . . Ich verdiene . . . Inside Edition hat mir angeboten . . .
»Also, eins kann ich Ihnen sagen, Mister Kirkwood«, sagte er in gelangweiltem Ton, »Josh hat, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, was Besseres verdient, als er gekriegt hat.«
Er ließ diesen Satz im Raum stehen, durchquerte langsam das Büro und legte eine Hand auf den Türknopf.
»Ich werde meine Nummer bei Ihrer Sekretärin hinterlassen. Sie können sich die Sache durch den Kopf gehen lassen und mich anrufen, wenn Sie möchten – falls Sie zwischen Hard Copy und Oprah die Zeit dazu finden.«
Paul sah ihm nach, als er den Raum verließ, Wut ballte sich in seinem Bauch zusammen. Bastard. Protzte mit der Integrität und Ethik seiner Geschichte, war aber nicht bereit, Bares dafür rauszurücken. Er würde fünf Millionen absahnen und besaß die Frechheit, einen Mann zu verachten, dessen Leid ein Teil dessen war, womit er ein Vermögen verdiente.
Ich verdiene . . . Paul weigerte sich, für diesen Gedanken Schuld zu empfinden. Er verdiente tatsächlich etwas. Er war auch Opfer.
Aber selbst während ein Teil von ihm auf seinem Anspruch bestand, dachte ein anderer Teil an Josh im Krankenhaus, und ein weiterer war erfüllt von den Bildern jener Nacht vor zwei Wochen. All das schlängelte und wand sich in ihm, bis er das Gefühl hatte, in einem Strudel zu wirbeln, der ihn hinunterzog und ihn in Panik und Reue zu ertränken drohte.
Joshs panische Schreie, »Nein!«, hallten in seinen Ohren. Er hielt sie sich mit den Händen zu. Selbst mit fest zugekniffenen Augen konnte er noch sehen, wie sein Sohn gegen das Krankenhausbett trat, und er fühlte sich, als ob jeder Tritt direkt auf seinem Bauch landete.
Ein dünner Schrei entwich seinen Lippen, er sank in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch und krümmte sich. Schauder ließen seinen Körper zittern. Sein Mund öffnete sich, das Chaos in seinem Kopf lichtete sich zu einem einzigen Gedanken – mein Sohn, mein Sohn, mein Sohn, mein Sohn . . .
Dann kamen die Schuldgefühle. Eine Wand von Schuldgefühlen. Und die Schuldgefühle waren es, die ihn die unterste Schublade seines Schreibtischs öffnen ließen. Aus Schuldgefühl bewahrte er das Band aus dem Anrufbeantworter mit dem Anruf jenes schicksalhaften Abends auf. Er hob das Band in einem Diktaphon auf, das er gekauft hatte, um Briefe zu diktieren, das er aber nie benutzte.
Er legte den kleinen schwarzen Kasten auf den Schreibtisch und drückte auf Play. Joshs Stimme sprach zu ihm von jener Kreuzung, die ihrer aller Leben auf einen dunklen Pfad gelenkt hatte.
12
»Ich bin hier in Park County, um dafür zu sorgen, daß der Gerechtigkeit Genüge getan wird.« Tony Costellos Worte nagten in Ellen, während sie quer durch die Stadt fuhr.
»Als ob der Staat außerhalb der Hauptstadt gesetzloses Grenzland wäre«, beklagte sich Cameron. »Und er Wyatt Earp, der uns Gerechtigkeit bringt.«
»Das gehört alles zur Show«, murmelte Ellen und bog in den Lakeshore Drive ein.
»Es macht Ihnen nichts aus?«
»Aber natürlich macht es mir etwas aus. Die Holloman-Entführung als Publicityaufhänger – das ist so schleimig, daß einem schlecht wird. Aber man darf sich von Tony Costello genausowenig aus der Fassung bringen lassen wie von Denny Enberg oder Fred Nelson, Cameron. Er ist nur ein bezahlter Revolverheld.«
»Ein bezahlter Revolerheld im Armani-Anzug.«
»So was kann man sich bei Erfolg in der großen Stadt kaufen, Cam. Wenn man bereit ist, den Preis zu zahlen.«
»Ich bin nicht daran interessiert, der nächste Anthony Costello zu werden.«
»Freut mich, das zu hören. Die Welt hat bereits mehr Tony Costellos, als sie braucht.«
»Er beeindruckt mich nicht.«
»Das sollte er aber«, sagte Ellen und bog in die Einfahrt der Kirkwoods ein. »Er ist
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