Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Grenze des Erträglichen. Sie baute sich direkt vor ihm auf und richtete anklagend den Finger auf ihn. »Art Fitzpatrick hat das Mädchen vergewaltigt, weil er glaubte, sein Geld und seine Position wären ein Freibrief, alles tun zu können, was ihm verdammt noch mal gefiel. Und es macht mich ganz krank, daß er damit recht hatte. Er kaufte sich von einer Verurteilung frei, und du hast dich verkauft, um dich in seiner Gnade zu sonnen.«
»Dann beweise es!« schrie er.
Er stritt es nicht ab. Hatte es nie abgestritten.
Sie hatten die Sache so oft durchgekaut, daß sie schon zu Staub zerfallen war. Ellen wußte, daß sie keine Beweise gegen ihn hatte. Sie hatte nur einige Puzzleteile und ein Gefühl im Bauch, das sich bis in ihr Innerstes nagte. Nichts, was sie dem Staatsanwalt oder dem Juristenverband vorlegen konnte. Damals hatte sie sich das Gehirn zermartert nach einer Möglichkeit, ihn zu bestrafen, ihn öffentlich an den Pranger zu stellen, ihm seine Approbation entziehen zu lassen, ihn ins Gefängnis zu schicken. Aber am Ende war da nur die Erkenntnis gewesen, daß jede solche Bemühung nur ihr selbst schaden würde. Sie würde diejenige sein, die man öffentlich demütigte und verachtete, die man beruflich ruinierte. Sie war die Anklägerin, die so dumm gewesen war, sich mit einem ehrgeizigen Strafverteidiger einzulassen.
Sie hatte die Affäre vorsichtig begonnen, überzeugt, schlau genug zu sein, vernünftig damit umzugehen. Und sie war mit angeschlagener Selbstachtung daraus hervorgegangen. Er hatte sie eingewickelt, sie mit seinem Charme von seiner Integrität überzeugt. Und kaum hatte sie ihre Schilde fallen lassen, hatte er sie verraten.
Fast drei Jahre waren vergangen, und sie wollte ihm immer noch das Herz herausschneiden. Nicht weil sie ihn geliebt hatte, sondern weil er sie benutzt, sie zum Narren gemacht, das System verhöhnt hatte, das ihr so viel bedeutete.
Sie wandte sich von ihm ab und rieb sich das Gesicht, versuchte, den hartnäckigen Nebel der Emotionen wegzuwischen. Sie wollte nichts fühlen. Schon gar nicht vor ihm. Kontrolle. Hatte sie nicht gerade dieses Wort gepredigt? Hatte sie nicht Cameron gesagt, er dürfe nicht zulassen, daß Costello ihm unter die Haut krieche? Und jetzt explodierte sie wie eine Bombe, kaum daß er einen Fuß in ihr Büro gesetzt hatte.
»Du hast mir viel bedeutet, Ellen«, murmelte er.
»Nun ja, das ist wohl alles Vergangenheit, nicht wahr?« sagte sie und glitt auf ihren Stuhl. »Eine uralte Geschichte.«
Tony setzte sich in den Besucherstuhl. Wie Boxer, die sich in ihre Ecken zurückziehen, dachte sie. Die Spannung lockerte sich auf ein erträgliches Maß.
»Ich wollte dich ganz bestimmt nicht aus der Stadt vertreiben«, sagte er.
»Schmeichle dir nicht, Tony«, konterte sie. »Du warst lediglich das Symptom eines weit größeren Problems. Ich habe Hennepin County verlassen, weil ich die Nase voll hatte von all den Scheiß-Spielchen. Offensichtlich bist du nicht damit zufrieden, nur die Gerichtsdistrikte der Hauptstadt zu verschmutzen. Du hast dich entschlossen, mit der Show auf Tournee zu gehen.«
»Ich vertrete Garrett Wright.«
»Das habe ich gehört.« Ellens eisiger Blick richtete sich auf sein Gesicht. »Und wie ist es dazu gekommen?«
»Es ist ein faszinierender Fall.«
»Ein hochkarätiger, meinst du. Was ich wissen will, ist, wie es dazu gekommen ist, daß du Garrett Wrights Anwalt bist. Wer hat Verbindung mit dir aufgenommen? Oder bist du schnüffeln gekommen?«
»Willst du etwa behaupten, ich buhle um Klienten?« fragte er mit einer gesunden Portion Entrüstung.
»Nein, so unfein wärst du nie. Also, wer hat dich angerufen. Ich weiß, daß es weder Wright selbst noch Dennis Enberg war.«
»Du weißt auch, daß ich mit dir nicht darüber reden kann«, sagte er mit Pokermiene. »Es ist vertraulich.«
Ellen beugte sich zu ihm, stemmte die Arme auf die Schreibtischplatte. »Glaubst du das? Wenn Garrett Wrights Komplize Kontakt zu dir hatte – wenn du uns die Identität des Kidnappers des Holloman-Jungen enthüllen könntest und es nicht tust – , werde ich mich in eine Anklage wegen Behinderung der Justiz verbeißen und dich schütteln wie eine tote Ratte.«
Costello lächelte wie ein Liebhaber, seine dunklen Augen glühten. »Ah, tief in deinem Herzen, bist du immer noch meine Ellen – oder sollte ich sagen: an meinem Hals?«
»Ich habe dir nie gehört, Tony«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Ich habe nur mit dir geschlafen. Glaub
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