Deer Lake 02 - Engel der Schuld
den Mann an der Tür erfaßte. Das Licht aus dem Vorzimmer umriß seine Silhouette, wodurch er etwas bedrohlich Düsteres bekam, das irgendwie zu ihm zu passen schien. Tony Costello war ein Schatten aus ihrer Vergangenheit, der zurückgekommen war, um sie zu verfolgen. Um den Bann zu brechen, griff sie nach dem Schalter ihrer Tischlampe.
»Dir aus dem Weg gehen, Tony? Wie immer macht dein Ego Überstunden. Dir ist wohl nie in den Sinn gekommen, daß ich eine beschäftigte Frau bin, die Wichtigeres zu tun hat, als eine dankbare Rolle in deinem Mediendrama zu spielen.«
»Streitsüchtig wie eh und je, wie?« sagte er freundlich und schloß die Tür hinter sich. »Ich hatte schon Angst, das Leben in der Prärie hätte dich sanfter gemacht.«
Ellen machte es sich in ihrem Stuhl bequem, setzte ihre Brille auf und blätterte interessiert die Nachrichtenzettel durch, die sie noch in der Hand hielt. »Hat es.« Sie sah ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Wenn du dich in Hennepin County so an mich herangeschlichen hättest, hätte ich dir die Nase gebrochen. Ich habe meine Selbstverteidigungskünste einschlafen lassen.«
»Da habe ich ja Glück.«
Er setzte das Lächeln auf, das sie als charmantestes seines Arsenals kannte. Sie konnte sich gut daran erinnern – eckig und strahlend weiß in seinem dunklen Teint. Ein Lächeln, auf das er fünfzehntausend Dollar verschwendet hatte. Er hatte eine Hypothek auf das Haus, das ihm seine Eltern vererbt hatten, aufgenommen, um seine Jackettkronen bezahlen zu können. Er betrachtete die Ausgabe als Geschäftsinvestition.
Er sah so fit und perfekt gepflegt aus wie ein Zirkuspferd. Sein Anzug war einen Ton dunkler als marineblau, maßgeschneidert, um die Figur zu betonen, die er in einem privaten Fitneßstudio mit einem persönlichen Trainer in Form hielt. Lässig öffnete er die Knöpfe seines doppelreihigen Mantels und setzte sich entspannt in ihren Besucherstuhl.
»Was kann ich für dich tun, Tony«, fragte sie mit einem Maß an Desinteresse, das ihn ärgern mußte.
Er ignorierte die Herausforderung und ließ sie nicht aus den Augen. »Es ist lange her.«
»Nicht lange genug.«
Er schien ehrlich verletzt zu sein, aber seine Gefühle für sie waren ja auch einmal ehrlich gewesen.
»Du gibst mir immer noch die Schuld an dem, was mit Fitzpatrick passiert ist«, sagte er. »Ich hatte gehofft, daß du mit der Zeit eine andere Perspektive gewinnst.«
»Meine Perspektive auf kriminelle Manipulation eines Falls wird sich in diesem Leben nicht ändern.«
Er schüttelte mit ernster Miene den Kopf. »Wie konntest du glauben, daß ich so etwas tun würde, Ellen? Abgesehen von ethischen Gesichtspunkten, wie konntest du glauben, daß ich dir das antun würde, nach all dem, was wir einander bedeutet haben?«
»Abgesehen von ethischen Gesichtspunkten.« Ihr Lachen war barsch, und sie stand wieder auf. Wut summte in ihren Muskeln, als sie in dem engen Raum hinter ihrem Schreibtisch auf und ab lief. »Jemand füttert Fitzpatricks Seite mit Informationen, die praktisch direkt von meinem Schreibtisch kommen. Der Fall löst sich in Wohlgefallen auf, und das nächste, was ich sehe, sind du und Fitzpatrick als dicke Kumpel . . .«
»Wir haben zu Abend gegessen. Das ist nicht gegen das Gesetz.«
»Jedenfalls ist es nicht gegen dein Gesetz.«
»Du lieber Himmel, Ellen«, knurrte er und erhob sich. »Es war ein Geschäftsessen.«
»Da bin ich mir sicher.« Ellen ging auf ihn zu. »Hat er dir die dreißig Silberlinge unter dem Tisch zugeschoben, oder hat er sie vom Kellner auf einem Tablett bringen lassen?«
»Es gab jede Menge Leute in deinem eigenen Büro, die Zugang zu diesen Informationen hatten. Fitzpatrick hätte jeden von ihnen schmieren können.«
»Ja, aber weißt du, Tony, keiner von ihnen hat plötzlich einen Porsche gefahren oder sich im Good Fella ' s mit Gregory Eagleton herumgetrieben . . .«
»Und dir ist natürlich nicht der Gedanke gekommen, daß der Fall in Rauch aufgegangen ist, weil Fitzpatrick unschuldig war«, schoß er zurück. »Dir ist nie in den Sinn gekommen, daß das Mädchen gelogen hat, daß sie ihn angezeigt hat, weil Fitzpatrick sich weigerte, ihr Erpressungsgeld zu zahlen.«
Dieses Argument traf einen Nerv, der Ellen rot sehen ließ. Er stritt ihre Vorwürfe nicht ab, er lenkte die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung, versuchte, die Schuld auf jemand anderen abzuwälzen. Indem er den Scheinwerfer auf das Opfer richtete, überschritt er die
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