Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Seine einzige Möglichkeit auf ein Entkommen lag im richtigen Timing.
Je mehr er sich zurück bewegte, umso weniger konnte der Killer aus dem Hinterhalt von ihm sehen, da der Höhenunterschied den Sichtwinkel reduzierte. Nur noch wenige Augenblicke trennten ihn von seiner Rettung. Dann drehte er am Knauf der Tür, woraufhin diese einen Spalt weit aufging. Sofort setzte ein leichter Sog ein und der Wind pfiff durch die Kabine. In einer schnellen Aufwärtsbewegung riss Spacy das Maschinengewehr nach oben und feuerte aus dem Handgelenk auf die Frontscheiben der Brücke. Gleichzeitig glitt seine freie Hand an die Brust, um das Trennkissen des Reservefallschirms mit einem kräftigen Ruck nach vorne zu ziehen, da der Öffnungsautomat auf eine andere Höhe eingestellt war und sonst nicht funktioniert hätte.
Blitzschnell fiel das Knäuel aus Schirm und Seil aus der Hülle. Spacy fing es auf, um es sofort weit hinter sich durch den Türspalt zu schleudern. Dann brach die gesamte Frontscheibe in sich zusammen und der Fahrtwind blies mit voller Kraft durch die Brücke. Sein Schirm bekam den nötigen Wind und blähte sich hinter seinem Rücken auf. Als habe ihn ein Riese an den Schultern gepackt, wurde Spacy aus der Kabine gerissen.
Núnez konnte in diesen Sekunden nicht genau abschätzen, was vor sich ging, und zögerte einen entscheidenden Moment zu lange, bevor er den Hebel seiner russischen Gimlet umlegte und die Rakete mit einem Feuerschweif auf den höchsten Punkt des Schiffes abfeuerte. Mit einem lauten Zischen raste das etwa einen Meter lange Projektil, angetrieben von seinem Zündsatz, in die Brücke und zerschmetterte an der hinteren Kante des Dachs. Die mit einem passiven Zielsuchkopf ausgestattete Fliegerabwehrlenkwaffe, die sich unter normalen Umständen durch Infrarotsensortechnik ihr Ziel suchte, explodierte mit einem ohrenbetäubenden Knall und setzte eine Druckwelle frei, die den bereits außerhalb des Turms treibenden Fallschirm zusätzlich aufblähte.
Verkohlte Trümmerteile schossen wie Schrappnells haarscharf an Spacy vorbei und durchlöcherten den Schirm. Er konnte von Glück reden, dass ihn nicht eines der messerscharfen Objekt im Gesicht traf. Lediglich ein kleines scharfkantiges Metallteil bohrte sich in seinen Oberschenkel und ließ ihn für einen Moment vor Schmerzen laut aufschreien.
Eine zweite Detonation, die einen dichten Rauchpilz in die Luft aufsteigen ließ, erschütterte den Frachter. Mit kurzer Verzögerung war der von Spacy zurückgelassene Sprengstoff explodiert. Die Turmspitze mit der Brücke hatte nichts mehr gemein mit ihrem ursprünglichen Aussehen. Wie eine ausgedrückte und zerfranste Zigarre ragten die zerborstenen Stahlträger und verbogenen Außenwände als schwarz verkohltes Durcheinander in die Höhe. Damit war dem Frachter jegliche Möglichkeit genommen, sich von seinem Offizier auf einen gezielten Kurs bringen zu lassen.
Innerhalb weniger Augenblicke lag eine halbe Meile zwischen Spacy und der Cojio. Und der Abstand vergrößerte sich mehr und mehr. Eine Windböe erfasste den Schirm und trieb Spacy weitere zwei Meilen von dem alten Frachter weg. Dann vermochte auch der Wind nichts mehr auszurichten. Unaufhaltsam ging die Reise des Fallschirms mit seiner menschlichen Fracht Richtung Wasser.
Als Spacy in die fast spiegelglatte Oberfläche eintauchte und den salzigen Geschmack der See auf seiner Zunge schmeckte, war ihm, als sei er wieder zu Hause angekommen. Er befreite sich von den Gurten, raffte den Schirm zusammen und drückte einen kleinen Knopf am Revers seiner Weste. Daraufhin entwich aus einer kleinen Patrone Sauerstoff, und ein Luftvorrat blies die Schwimmweste selbständig auf. Dann aktivierte er einen GPS-Notruf, der über einen amerikanischen Militärsatelliten einen Funkimpuls an die Beluga weiterleitete.
Die Cojio war bereits außer Sichtweite, und nur eine Rauchfahne aus verbranntem Dieselöl erinnerte an den Zwischenfall auf See. Spacy blieb nichts anderes übrig, als für Hernandez und seine Männer zu beten. Fünfzehn Minuten später wusste er, dass es die Crew nicht rechtzeitig geschafft haben konnte. Ein über das Meer hallender Schlag und eine mehrere hundert Meter hohe Rauchsäule verrieten, dass Núnez der Cojio den Todesstoß versetzt hatte.
Niedergeschmettert breitete Spacy die Arme aus und blickte hinauf in den Himmel, während ihn die leichte Strömung in Richtung der Beluga trieb. Er schwor sich, die wahrscheinlich toten Seemänner der Cojio
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