Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
wetzte.
KAPITEL 53
25.03., 18.10 Uhr
Florida, Cape Canaveral
D er vierzig Jahre alte Stahlkoloss schleppte sich im Schneckentempo über die Betonpiste und zermalmte die vor seinen schweren Ketten liegenden Steine mühelos zu Staub. Der ursprünglich für das Apollo-Programm entwickelte Zwillings-Raupenschlepper befuhr die Strecke zwischen der Montagehalle und der Startrampe auf Cape Canaveral schon seit mehr als vierzig Jahren. Und auch heute würde das 2500 Tonnen schwere Ungetüm seine Last, die Raumfähre Atlantis , mit einem schnaufenden und ratternden Geräusch sicher zum vorgesehenen Zielpunkt bringen. Wie bei jeder Mission wurde das Space Shuttle gut einen Monat vor dem eigentlichen Start zu seiner Abschussposition gebracht, damit sich ein Heer von Technikern um die Vorbereitung der anzuschließenden Versorgungseinheiten kümmern konnte. Der gesamte Startkomplex war hell erleuchtet und bot einen faszinierenden Anblick. Soeben passierte das dunkelgraue Kettenfahrzeug eine Abzweigung, an der ein Hinweisschild mit den Bezeichnungen 39A und 39B angebracht war. Gemäß der Entscheidung der NASA schlug das schwere Fahrzeug die Richtung in Startrampe 39A ein.
Spacy und die frisch gekürte Shuttlepilotin Tracy Gilles saßen zu Füßen des Orbiters und ließen ihre Beine über eine Leiter hinab baumeln, während die 2700 PS starken Dieselmotoren einen höllischen Lärm verursachten und die sechzehn Hydraulikzylinder mit pfeifenden Klängen das Space Shuttle in einer stabilen senkrechten Position hielten. Der Fahrer im Steuerhaus des gigantischen Transporters winkte dem Paar fröhlich zu.
»Ein romantischeres Plätzchen hättest du dir zum Abschied nicht aussuchen können«, scherzte Tracy und lehnte sich an seine Schulter an. Spacy legte einen Arm um sie und sah ihr tief in die Augen. In dem hellblauen Overall der NASA sah sie einfach nur phantastisch aus.
»Ich freue mich für dich, wenn es bald losgeht. Heute in einem Monat. Du bist bestimmt aufgeregt?«
»Klar bin ich aufgeregt. Und drück mir die Daumen, dass nichts dazwischen kommt. Ein Hurrikan, eine technische Panne – du kennst ja die Unwägbarkeiten.«
Spacy nickte. Er vermied es, ihren Satz um das Wort Terroranschlag zu ergänzen, um sie nicht zusätzlich zu beunruhigen. Tracy erkannte seine Nachdenklichkeit.
»Du grübelst zu viel. Jetzt, wo wir wissen, dass die U-2 vielleicht eine Rolle bei einem Angriff spielen könnte, wird der Luftraum abgeriegelt sein wie Fort Knox. Zum Starttermin kommt hier also niemand durch. Mein Vater und sein Beraterstab haben doch mittlerweile eingesehen, wie ernst zu nehmen deine Hinweise sind. In Südafrika hat er dich übrigens in höchsten Tönen gelobt.«
»Wir haben vielleicht eine Schlacht gewonnen, nicht aber den Krieg. Wer auch immer vor Kuba seine Spuren verwischt hat, aufgeben wird er mit Sicherheit nicht. Dieses Ablenkungsmanöver mit der Attrappe war schon ein ziemlich ausgeklügeltes Ding. Es beweist nur, wie durchdacht diese Leute vorgehen. Im Grunde genommen komme ich mir wie ein blutiger Anfänger vor.«
Spacy machte sich Vorwürfe, die Sache auf der Cojio nicht zu einem glücklichen Ende gebracht zu haben. Er trauerte der verpatzten Chance nach, den Mörder dingfest zu machen. Wobei er gegenüber Tracy verheimlichte, dass der Typ mit der Boden-Luft-Rakete seinen Namen kannte.
»Hör auf, dir die Schuld für den Vorfall zu geben. Die Crew ist tot, und du kannst es nicht rückgängig machen. Und falls dieser Núnez entkommen ist, wird man ihn früher oder später finden.«
»Die Typen sind eiskalte Mörder, und sie scheinen Geld zu haben. Damit kann man schon mal eine Weile abtauchen. Während wir hier Händchen halten, ist bestimmt irgendwo ein Schiff unterwegs, auf dem sich die echte U-2 befindet«, ärgerte sich Spacy.
»Du hast getan, was du konntest. Du hast dein Leben bei diesem Einsatz riskiert. Niemand macht dir einen Vorwurf. Die CIA ist jetzt an dem Thema dran. Harris und seine Leute haben die Spur aufgenommen, das hast du mir selber gesagt. Und Minister McNab wird wahrscheinlich eine mit Mistgabeln ausgestatte Bürgerwehr aufstellen, um hier alles abzuriegeln.«
Tracy lächelte und versuchte, die Stimmung ihres Freundes aufzuhellen. Spacy fragte sich hingegen, wer eigentlich Grund zur Sorge haben musste. Schließlich konnte er sich in einem Monat den Start ganz entspannt von der Besucherterrasse aus ansehen, während seine Angebetete auf einer fliegenden Bombe Richtung ISS
Weitere Kostenlose Bücher