Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Gefahrenbereich ist geräumt, es befindet sich keine Person mehr innerhalb der 3-Meilen-Zone. Nur die Closeout-Crew ist im Rückfallbereich. Die Gulfstream II ist in der Luft und hat soeben signalisiert, die Wetterverhältnisse würden eine Notlandung auf unserer eigenen Landebahn zulassen.«
»Sehr tröstlich. Wie lang noch bis zum einkalkulierten T-20 Hold?«
»Fünfundzwanzig Minuten.«
»Wenn Mission Control sich nicht bis dahin gemeldet hat, müssen wir auf das GO-NO-GO-Prozedere verzichten, was absoluter Wahnsinn wäre. Ich kann die Atlantis so unmöglich starten lassen.«
»Das können Sie sehr wohl«, meldete sich McNab zurück. Auf leisen Sohlen hatte er sich von hinten an den Kommandotisch zubewegt, und sah der Startleiterin nun über die Schulter. Nicole Bormann konnte das teure After Shave des Mannes riechen und dreht sich langsam um.
»Bei allem Respekt, Herr Minister. Sie wollen hier die ganz große Show abziehen, den großen Mann markieren. Sie wollen unbedingt diesen Start und sich nicht von Terroristen einschüchtern lassen. Okay, das habe ich verstanden! Aber ich kann Sie nur warnen. Ohne den Gegencheck durch Houston schicken wir das Space Shuttle auf eine ungewisse Reise. Ich werde dafür nicht die Verantwortung übernehmen!«
»Dann werden die Terroristen in Houston ein Blutbad anrichten. Wollen Sie das?«, fragte McNab und starrte scheinbar gleichgültig an der Startleiterin vorbei, als ob es irgendwo etwas Interessanteres zu sehen gäbe.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete Bormann, in deren Stimme langsam Verzweiflung mitschwang. »Was ich Ihnen klarmachen will, ist Folgendes: Da draußen steht ein mit zwei Millionen Litern flüssigem Treibstoff vollgetankter Raumtransporter, dessen erfolgreicher Start von unendlich vielen Faktoren abhängig ist. Der Datenabgleich zwischen dem Startzentrum, dem Flugzentrum in Texas und der Crew ist ein unabdingbares Muss. Ich bin auf die Rückmeldung von John Forrester, dem Flugdirektor im Mission Control Center, angewiesen. Ohne seine Startfreigabe, die mir das Okay für seine Datensysteme liefert, schicke ich die Crew ins Ungewisse.«
»Tun Sie das nicht bei jeder Mission, Mrs Bormann?«, fragte McNab mit einem aufgesetzten Lächeln. »Die Challenger , die Columbia … fünfzig Prozent der eigenen Flotte zu verlieren, zeugt nicht gerade von einem perfekten System, oder? Den Astronauten muss das Risiko bewusst sein, welchem sie sich aussetzen.«
Die Kaltschnäuzigkeit des Ministers für Heimatschutz jagte Nicole Bormann einen Schauer über den Rücken. Wie konnte es ein solch eiskalter und gefühlsloser Brocken bloß in dieses Amt gebracht haben? Angewidert drehte sie sich um und registrierte aus dem Augenwinkel, wie ihre Startcrew fieberhaft die unendlichen Datenmengen kontrollierte, die in endlosen Zahlenkolonnen über die Monitore liefen.
»Ich weiß, was Sie jetzt denken«, hakte McNab mit gespielter Freundlichkeit nach. »Sie fragen sich sicherlich, warum ausgerechnet ich so scheinbar gleichgültig das Leben der Crew aufs Spiel setze. Ich, der für den Schutz von Zivilisten verantwortlich bin. Nun, die Antwort ist denkbar einfach. Entweder sterben vielleicht eine Handvoll Astronauten oder eine Menge Leute mehr drüben in Houston, wenn wir abbrechen. So einfach ist die Sache. Und wenn Sie mich nach meiner ganz persönlichen Meinung fragen …«
»Ja?«
»Ist es mir, ehrlich gesagt, scheißegal, ob wir dieses teure Spielzeug da hinten verlieren. Ich versuche nämlich lieber, unsere Probleme am Boden zu lösen, anstatt in den unendlichen Weiten des Alls. Dieses ganze Programm Ihrer Behörde interessiert mich ungefähr so viel, als ob die ehemalige First Lady ihren Friseur vögelt.«
McNab vergewisserte sich, dass niemand den letzten Teil mitbekommen hatte und setzte ein freundliches und zugleich entschlossenes Gesicht auf, um dann einigen Journalisten hinter einer Glasfront kurz zuzuwinken. Schließlich rückte er seine Krawatte zurecht und baute sich wieder zu voller Größe vor der sichtlich schockierten Startleiterin auf. Eine ganze Minute verstrich, bevor Nicole Bormann sich wieder einigermaßen im Griff hatte.
»Und? Haben Sie sich nun endlich entschieden?«, fragte McNab.
»Ich kann diese Verantwortung nicht übernehmen. Ich werde den Direktor der NASA bitten, diese Entscheidung zu treffen. Und ich werde ihm mitteilen, dass es Ihr ausdrücklicher Wunsch ist, zu starten. Koste es, was es wolle.«
Nachdenklich rieb sich McNab das Kinn.
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