Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
gehört und gelesen, wie charismatisch und zugleich verwirrend Muammar al Gaddafi auf Zuhörer wirken konnte. Nicht immer erschlossen sich seine Worte dem Betrachter beim ersten Mal. Und manchmal sogar nie. Während der amerikanische Präsident im entfernten Washington besorgt auf die Uhr sah, fasste sich das faktische Oberhaupt des nordafrikanischen Staates mit einer Hand an seine Brust und senkte die Stimme.
»Ich kann Ihnen helfen, da ich den Entführer Ihrer Tochter kenne. Und ich kann ihnen eine Menge Goldbarren ersparen, wenn Sie offen und ehrlich zu mir sind. Deshalb zählt jetzt nur eine Frage. Nein, im Grunde genommen sind es sogar zwei Fragen.«
»Und die wären?«
»Wollen Sie Ihre Tochter lebend wiedersehen und wollen Sie mir ein kleines Zugeständnis machen, sagen wir in Höhe von fünf Milliarden US Dollar?«
»Sie verdammter Mistkerl«, explodierte George T. Gilles und vergaß sämtliche Umgangsformen der Diplomatie. »Wenn Sie mich erpressen wollen …«
»… bomben Sie mein Land zurück in die Steinzeit, ich weiß«, fuhr Gaddafi mit drohender und unerschütterlicher Stimme dazwischen. »Das ist es, was Ihr könnt. Mit einer Flugzeugträgerarmada vorfahren und Raketen abschießen. Scheinbar haben Sie doch nichts aus den Fehlern Ihrer Vorgänger gelernt. Aber ich wiederhole meine Frage ein letztes Mal. Und wenn Sie nicht antworten oder einfach auflegen, ist Ihre Tochter dem Tode geweiht, glauben Sie mir. Ich kenne nämlich den Menschen, der sich hinter der HAMAS verbirgt.«
Unheilvoll hallten die letzten Worte des Revolutionsführers in der Telefonleitung nach. Mehr als eine halbe Minute lang war nichts als nervenaufreibendes Rauschen zu vernehmen. Dann endlich – Muammar al Gaddafi hatte sich schon dem Genuss einer Dattel hingegeben – meldete sich George T. Gilles mit unterdrücktem Schaum vor dem Mund zurück.
»Was muss ich Ihrer Meinung nach tun, um meine Tochter lebendig wiederzusehen?«
»Mir einfach die Wahrheit sagen«, sprach Libyens Führer wie das Orakel von Delphi höchstpersönlich.
»Die Wahrheit? Was meinen Sie damit?«, fragte der Präsident völlig konsterniert.
»Ich kenne Ihre Biografie. Aber leider nicht alle Details. Dieses Gespräch führen nur wir beide, Sie können also offen sein. Waren Sie jemals untreu?«
»Hören Sie, Oberst Gaddafi, ich wüsste nicht …«
»Waren Sie jemals untreu?«, wiederholte Gaddafi seine Frage mit Nachdruck.
»Da Sie meine Antwort nicht gegen mich verwenden können und gewisse Details gewissen Leuten bekannt sind, gebe ich zu …«
»Sehen Sie, Mr President, mir werden solche Dinge auch nachgesagt. Es gab eine Zeit, in Großbritannien, ich wurde zum Offizier ausgebildet und beschäftigte mich gerade mit der Gründung des Bundes freier Offiziere, da lernte ich eine Frau kennen. Sie ist die Schlüsselfigur zur Lösung unseres Problems. Eine Inderin. Ihr Name war Samah.«
»Samah, wie schön für Sie, Oberst.«
»Ich sagte, ihr Name war Samah.«
»Ja, das sagten Sie«, erwiderte Gilles ungeduldig. Als Gaddafi nicht weiter fortfuhr, ließ der Präsident das Wort Samah im Geiste Revue passieren. »Samah? Sie meinen …? Samah umgekehrt gelesen ergibt HAMAS. Ist es das, worauf Sie hinauswollen?«
»Ja, das ist es«, bestätigte der Libyer. »Diese Frau war von betörender Schönheit. Es geht das Gerücht um, ich hätte ihr einen Sohn geschenkt. Hannibal. Jener Hannibal, der nun an Bord der Internationalen Raumstation ist.«
»Und? Ist dieser Hannibal Ihr Sohn? Haben Sie ihn auf diese Mission geschickt? Wenn das der Fall ist, wird Sie die Rache der Vereinigten Staaten treffen, das versichere ich Ihnen!«
»Er ist es nicht. Aber er ist in dem festen Glauben, es zu sein. Ich habe seinen Weg lange Zeit verfolgt und ich habe ihn lange Zeit protegiert und ihn in die Obhut von Leuten geben, die sich nach und nach meinem Einfluss entzogen haben. Die Dinge haben sich irgendwann verselbständigt, mein langer Arm reichte nicht bis in die Staaten. Ich trage eine gewisse Mitschuld, aber letztendlich hat er seinen eigenen Kampf gegen Ihr Land aufgenommen. Er wurde zum Mörder und zu einem bestialischen Gewalttäter, dem Frauen nichts bedeuten. Zumindest nicht im konventionellen Sinn. Er benutzt sie und schlachtet sie anschließend ab.«
»Es gibt Hinweise darauf, jemand mit Kontakten nach Libyen sei an der Challenger-Katastrophe 1986 beteiligt gewesen. Haben Sie Kenntnis davon, gibt es einen Zusammenhang?«
»Ich habe davon gehört. Unser
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