Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Ärzte einen leichten Infarkt festgestellt hatten. Sie bangte sehr um ihn, konnte es sich aber gegenüber der Crew nicht leisten, durchzudrehen. Sie war die Schlüsselfigur, und ihre Crew konnte keine am Boden zerbrochene Präsidententochter gebrauchen. Mit eisernem Willen zwang sie sich deshalb zur Selbstbeherrschung. Auf gar keinen Fall wollte sie gegenüber diesem Psychopaten einknicken, auch wenn die Lage alles andere als hoffnungsvoll war und der Lauf einer Waffe ein überzeugendes Druckmittel darstellte.
Fieberhaft hatte sie seit ihrer Ankunft auf der ISS überlegt, wie sie Zeit schinden konnte, um der Regierung Gelegenheit zum Nachdenken und Handeln zu geben. Selbst wenn Mark mit der Independence zur Hilfe eilen würde, bräuchte dies seine Zeit und würde nicht vor morgen Abend geschehen, also lange nachdem das erste Ultimatum abgelaufen war.
Wenn Sie wirklich das erste Opfer sein sollte, welches mit einer Kugel im Kopf starb, so war das aus ihrer Sicht unlogisch. Denn warum sollten die Terroristen ihren besten Trumpf aus der Hand geben? Viel wahrscheinlicher erschien ihr die Exekution eines anderen Besatzungsmitglieds, falls die Freiheitsstatue auf ihrem Sockel stehen blieb. Aber den Tod eines Mitglieds der Crew wollte sie erst recht nicht zulassen und zermarterte sich deshalb den Kopf, welcher Trumpf noch im Ärmel steckte.
»Verfahrene Situation, nicht wahr, meine Liebe?«, holte Miller sie in die Wirklichkeit zurück. »Ich kann förmlich spüren, wie Ihre kleinen grauen Zellen arbeiten und nach einer Lösung suchen. Aber Sie wissen so gut wie ich, warum die Rettung von außerhalb ausbleiben wird. Ob amerikanisches Space Shuttle, russischer Progress-Frachter oder chinesische Shenzhou 5Rakete: Nichts könnte rechtzeitig hier sein und irgendetwas bewirken. Selbst ein exzentrischer Milliardär mit einem futuristischen Space Ship One ist nicht in Sichtweite. Sie sollten sich Al-Wàqueah, dem unvermeidlichen Ereignis, stellen.«
»Wer erlaubt Ihnen eigentlich, sich zum Retter der Menschheit aufzuspielen?«, verlangte Tracy eine Auskunft von Miller. »Halten Sie sich selber für eine Art Propheten? Mit der Afrika-Nummer haben Sie sich hier und da bestimmt ein paar Freunde gemacht. Der Truppenabzug aus dem Irak ist hingegen diskussionswürdig. Aber spätestens die Aufforderung zur sinnlosen Zerstörung der Freiheitsstatue wird Sie einfach nur als politischen Wirrkopf in den Medien auftauchen lassen. Ist es etwa das, was Sie wollen? Dass man Sie für einen durchgeknallten Verrückten hält?«
»Es gibt Dinge, die gehen Sie nichts an. Es wäre vielleicht besser, wenn Sie ganz einfach schweigen würden«, erwiderte Miller unwirsch.
»Manche Dinge gehen mich wirklich nichts an, da haben Sie Recht. Aber da ich schließlich sterben soll, könnte ich doch als letzten Wunsch Ihre wahren Motive ergründen, oder? Ich erzähle Ihnen umgekehrt, warum Sie weder das Gold noch den Truppenabzug bekommen, wenn Sie tatsächlich eines unserer Nationaldenkmäler zerstören lassen.«
»Ich wüsste nicht, warum ich Ihnen einen Wunsch erfüllen sollte«, zischte Miller. »Sie wollen nur Zeit schinden.«
»Welche Rettung sollte ich schon erwarten? Sie haben die Situation doch treffend analysiert. Es wird keine Rettung geben. Wir sind hier oben völlig auf uns alleine gestellt. Ihr Plan ist zumindest in diesem Punkt wirklich perfekt«, versuchte Tracy dem Terroristen zu schmeicheln. »Doch mit der Vernichtung einer Statue in Frauenkleidern werden Sie nur Spott ernten. Ich weiß, wie die Medien arbeiten, das ist auch meine Branche. Die Presse wird allerlei Experten bemühen und darunter werden auch Psychologen sein. Man wird Sie als vernachlässigtes und schizophrenes Muttersöhnchen abstempeln, anstatt als heldenhaften Märtyrer im Kampf um Gerechtigkeit. Ein Mann auf der Suche nach dem verlorenen Rockzipfel.«
»Halt den Mund, du Schlange!«, schrie Miller.
»Ich halte dann den Mund, wenn es mir passt«, nahm Tracy ihren ganzen Mut zusammen. »Wenn Sie die Wahrheit nicht vertragen können, tun Sie mir einfach nur leid.«
»Noch ein einziges Wort, und du brauchst einen plastischen Gesichtschirurgen!«
»Ach ja? Dann drücken Sie doch einfach ab und wir haben es hinter uns«, versetzte Tracy mit erzürnter Stimme. »Allerdings wird dann dank der fünf Tonnen Treibstoff in der dünnen Außenwand hinter uns Ihre verhungernde Welt niemals in den Genuss von fünfzig Milliarden Dollar kommen. Aber auf die legen Sie ja anscheinend
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