Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
gekleidet in eleganten Anzügen aus dem Jahr 1959. Martin Landau, der bisher nur Zuhörer der Unterhaltung war, drehte sich jetzt in Millers Richtung.
»Wir wissen ganz genau, was Sie vorhaben.«
Miller hatte es plötzlich eilig und brachte die Männer mit einem einzigen Knopfdruck seiner Fernbedienung zum Schweigen.
»Gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich will nämlich ins Wintergarden Theater in New York, und ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe«, führte er im Selbstgespräch den Dialog des Films zu Ende und knöpfe seinen langen schwarzen Kaschmir-Mantel zu.
Der Filmklassiker North by Northwest von Alfred Hitchcock war längst aus seinem Kopf, als er die Tür seiner großräumigen Suite im Waldorf Astoria Hotel verließ und sich auf den Weg zu seiner nächtlichen Verabredung machte. Das alte Theater lag am Broadway, und er wollte dort einen Mann treffen, mit dem er ein Geschäft zu besprechen hatte. Er war auf den Mann aufmerksam geworden, als er gezielt Kundenlisten eines Internetportals durchgegangen war, die ihm als stiller Beteiligter eines firmenmäßig verschachtelten Online-Casinos von einem verschwiegenen Geschäftspartner zugespielt worden waren. Der Mann, um den es sich handelte, war ein arbeitsloser LKW-Fahrer aus Queens, der in dem Online-Casino seine gesamten Ersparnisse verspielt hatte und dem sämtliche Kreditkarten gekündigt worden waren. Seine Frau war Alkoholikerin gewesen und hatte sich vor einem Jahr erhängt. Seine siebenjährige Tochter hatte Leukämie, und die Behandlung war ausgesprochen teuer. Für Miller waren das die idealen Parameter, um einen völlig desillusionierten Mann gefügig zu machen.
Vorbei an St. Patricks Cathedral und dem Rockefeller Center führte ihn sein Weg durch die Nacht. Er verzichtete darauf, ein Taxi zu nehmen. Stattdessen legte er die Strecke zu Fuß zurück. Er atmete die kalte, klare Luft ein und überlegte alle seine Züge und Optionen, wie ein Schachspieler, der genau abwägen musste, ob es sinnvoll war, den Gegner schon mit dem nächsten Figurenwechsel matt zu setzen. Sein Plan war teuflisch, und seine nächtliche Bekanntschaft sollte das nächste Bauernopfer sein. Ein Bauernopfer mehr in einem genialen Ablenkungsmanöver.
Er sah den Mann, mit dem er verabredet war, allein vor dem Theater stehen. Die Vorstellung des Musicals war längst vorbei, und nur wenige Passanten kreuzten den Gehweg vor dem alten Gebäude. Einige Gäste kamen aus einer benachbarten Cocktail-Bar, die noch geöffnet hatte.
»Mr Flynn? Mr Kevin Flynn?«, sprach Miller den Mann an, der einen ausgebeulten dunklen Anzug und eine schlecht gebundene grüne Krawatte trug. Er war klein und untersetzt und hatte eine unreine Haut. Seine wenigen braunen Haare, die sich bereits zu einem Kranz lichteten, waren fettig.
»Ja, der bin ich. Und Sie? Sind Sie Nelson Cooper? Der Mann, der mich angerufen hat?« Flynn musterte Miller neugierig.
»Ja, ich bin Cooper. Wie hat Ihnen die Vorstellung gefallen? War der Platz okay für Sie?«, wollte Miller wissen.
»Ja, perfekt. Allerdings waren die Leute um mich herum alles feine Pinkel. Kam mir richtig billig vor in meinen Klamotten. Aber danke noch mal für die Karte. War `ne nette Abwechslung. Zuhause dreht man ja langsam durch, wenn es nichts zu tun gibt. Immer nur der gleiche Trott. Und dann meine kranke Tochter. Da kommt man ganz schön ins Grübeln und auf dumme Gedanken«, erzählte Flynn freimütig.
»Ja, das hatten Sie ja schon am Telefon erwähnt, als ich Sie angerufen habe. Sie mögen es mir nicht ansehen, aber es ist mir ähnlich ergangen, vor einigen Jahren. Sollen wir ein Stück gehen? Ich kenne da hinten eine nette Bar, wo wir uns zurückziehen und ein wenig plaudern können. Ich hoffe Sie sind nicht müde?«
»Mann, für ein Bier habe ich immer Zeit. Wenn Sie zahlen?«
Steve Miller alias Nelson Cooper lächelte nachsichtig.
»Natürlich.«
Die beiden Männer gingen einen Block weiter in eine Bar, die trotz vorgerückter Stunde noch gut besucht war. Sie wählten einen ruhigen Platz am Fenster und konnten den Raum, der in einem 1970er Jahre Retrodesign eingerichtet war, gut überblicken. Das Publikum war bunt gemischt, wenn auch etwas jünger und gut situiert aussehend. Miller fiel von seinem äußeren Erscheinungsbild im Gegensatz zu Flynn nicht weiter auf. Die Bedienung nahm ihre Bestellung entgegen und verschwand dann hinter der Theke. Der Raum war erfüllt von der sanften Musik eines Modern Jazzstücks, welches
Weitere Kostenlose Bücher