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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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daran gedacht, die
Farbe zu holen, bevor du da drinnen die Beherrschung verloren hast?“
    „Die Farbe ist noch im Auto. Wo ich sie bei der
Letzten benützt habe.“
    „Hol sie. Mach alles fertig. Man muss immer auf Zack
sein. Was passiert, wenn du die Sache nicht mehr im Griff hast? Du weißt, was
zu tun ist. Enttäusche mich nicht.“
    Gott schwebt näher heran. Sie hat einen IQ von
einhundertfünfzig.
    „Die Zeit ist fast um“, sagt Hog.
    „Du bist nichts ohne mich“, entgegnet Gott.
„Enttäusche mich nicht.“
     
    42
     
    Dr. Seif sitzt an ihrem Schreibtisch und starrt auf
den Pool hinaus. Eigentlich ist sie in Eile. Jeden Mittwochvormittag um zehn
wird sie im Studio erwartet, um sich auf ihre live ausgestrahlte Radiosendung
vorzubereiten. „Das kann ich nicht bestätigen“, sagt sie ins Telefon. Wäre die
Zeit nicht so knapp, das Gespräch würde ihr sogar Spaß machen, wenn auch aus
den falschen Gründen.
    „Es steht außer Frage, dass Sie David Luck Ritalin
verschrieben haben“, entgegnet Dr. Kay Scarpetta.
    Dr. Seif kann nicht anders, als an Marino und seine
Äußerungen über Scarpetta zu denken. Sie ist kein Mensch, der sich so leicht
einschüchtern lässt, und außerdem ist sie gegenüber dieser Frau, der sie nur
einmal begegnet ist und von der sie Woche für Woche hört, momentan im Vorteil.
    „Zehn Milligramm, dreimal täglich“, hallt Scarpettas
kräftige Stimme durch die Leitung.
    Sie klingt müde, vielleicht ist sie ja depressiv,
und Dr. Seif könnte ihr helfen. Das hat sie ihr erzählt, als sie einander bei
dem zu Ehren von Dr. Seif veranstalteten Abendessen im letzten Juni an der
Akademie vorgestellt worden sind.
    Hoch motivierte, beruflich
erfolgreiche Frauen wie wir beide müssen aufpassen, dass wir unsere
Gefühlslandschaft nicht vernachlässigen, hat sie
zu Scarpetta gesagt, als sie sich zufällig auf der Damentoilette trafen.
    Vielen Dank für Ihre Vorträge.
Ich weiß, dass sie den Lehrgangsteilnehmern gefallen haben, erwiderte Scarpetta, und Dr. Seif hat sie sofort
durchschaut.
    Die Scarpettas dieser Welt verstehen sich
meisterhaft darauf, persönlichen Fragen auszuweichen und zu verhindern, dass jemand
Einblick in ihre innersten Gefühle gewinnt.
    Die Lehrgangsteilnehmer lassen
sich von Ihnen inspirieren, fuhr
Scarpetta fort, während sie sich die Hände wusch, als müsse sie sich vor einer
Operation desinfizieren. Alle wissen es zu schätzen, dass Sie trotz Ihres vollen
Terminkalenders Zeit für uns erübrigen konnten.
    Ich merke Ihnen an, dass Sie das
nicht so meinen, entgegnete Dr. Seif, ohne
ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die überwiegende Mehrheit meiner Berufskollegen sieht auf
jeden herab, der seine Praxis nicht hinter verschlossenen Türen betreibt,
sondern das öffentliche Forum von Radio und Fernsehen sucht. Natürlich steckt
hauptsächlich Neid dahinter. Ich vermute, die Hälfte meiner Kritiker würde ihre
Seele verpfänden, um ein einziges Mal auf Sendung zu sein.
    Wahrscheinlich haben Sie Recht, antwortete Scarpetta und trocknete sich die Hände ab.
    Diese Anmerkung ließ eine Reihe sehr verschiedener
Schlussfolgerungen zu. Zum Beispiel: Dr. Seif vermutet zu Recht, dass die
überwiegende Mehrzahl ihrer Berufskollegen auf sie herabblickt. Oder: Aus der
Hälfte ihrer Kritiker spricht nur der blanke Neid. Oder auch: Es stimmt, dass
sie vermutet, aus der Hälfte ihrer Kritiker würde der blanke Neid sprechen, was
letztlich heißen würde, dass sie in Wirklichkeit keineswegs von Eifersucht
zerfressen sind. Doch ganz gleich, wie oft Dr.
    Seif dieses Gespräch in der Damentoilette auch Revue
passieren lässt und an dieser Bemerkung heruminterpretiert, sie kommt einfach
nicht dahinter, was sie zu bedeuten hatte und ob sie als unterschwelliger
Seitenhieb gemeint war.
    „Sie klingen, als bedrücke Sie etwas“, sagt sie zu
Scarpetta.
    „Das stimmt in der Tat, nämlich die Frage, was aus
Ihrem Patienten David geworden ist“, weicht Scarpetta der persönlichen Frage
aus. „Vor knapp dreieinhalb Wochen wurden ihm erneut einhundert Tabletten
verschrieben“, fügt sie hinzu.
    „Das kann ich nicht bestätigen.“
    „Ich brauche von Ihnen keine Bestätigung, da ich das
Döschen mit dem Verschreibungsetikett bei ihm zu Hause gefunden habe. Also weiß
ich, dass das Ritalin-Rezept von Ihnen stammt, wann es ausgestellt und in
welcher Apotheke es eingelöst wurde. Sie befindet sich in derselben
Einkaufszeile wie die Kirche, der Ev und Kristin angehören.“
    Dr. Seif schweigt

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