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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Menschen
aufgebracht sind. Sie haben keine Ahnung, was Sie da treiben, dringen einfach
in Privatgrundstücke ein und können sich nicht einmal merken, welche Bäume Sie
überhaupt fällen wollen, verdammt!“
    „Ma'am, ich habe Verständnis für Ihre Gefühle, aber
man darf den Zitrusbrand nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn wir ihn
nicht radikal bekämpfen, gibt es bald keine Zitrusbäume mehr ...“
    „Ich will den Namen des Anrufers wissen.“
    „Den kennen wir selbst nicht, Ma'am. Wir werden das
klären, und wir entschuldigen uns für die Störung. Außerdem möchten wir Sie
über die verschiedenen Alternativen aufklären. Wann würde es Ihnen denn passen?
Sind Sie heute Nachmittag zu Hause? Wir würden einen Pathologen hinzuziehen.“
    „Sie können Ihrem dämlichen Pathologen, Ihrem
Vorgesetzten und Ihrem ganzen Laden von mir ausrichten, dass das letzte Wort
in dieser Sache noch nicht gesprochen ist. Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?“
    „Nein, Ma'am.“
    „Dann schalten Sie mittags Ihr verdammtes Radio ein. Besprechen Sie es mit Dr. Seif.“
    „Wirklich? Das sind Sie?“ Der Kontrolleur mit dem
Palrntop ist beeindruckt. „Ich höre Ihre Sendung regelmäßig.“
    „Außerdem habe ich eine neue Fernsehshow. Auf ABC,
jeden Donnerstag um halb zwei“, fügt Dr. Seif, inzwischen ein bisschen
freundlicher, hinzu und hat fast Mitleid mit den beiden.
     
    Das Scharren unter ihrem zerbrochenen Fenster
klingt, als grabe jemand ein Loch. Evs Atem geht flach und stoßweise. Die Arme
über den Kopf gestreckt, atmet sie hastig ein und aus und lauscht.
    Sie glaubt, dasselbe Geräusch schon vor ein paar
Tagen gehört zu haben. Wann, weiß sie nicht mehr genau. Vielleicht war es in
der Nacht. Es ist eine Schaufel. Jemand stößt eine Schaufel in die Erde hinter
dem Haus. Als Ev ihre Position auf der Matratze verändert, pochen ihre Knöchel
und Handgelenke, als prügle jemand darauf ein, und ihre Schultern brennen. Sie
schwitzt und hat Durst. Außerdem kann sie kaum einen klaren Gedanken fassen,
und wahrscheinlich hat sie Fieber. Die Entzündungen haben sich verschlimmert,
und jede wunde Stelle schmerzt unerträglich. Die Arme kann sie nur senken, wenn
sie aufsteht.
    Sie wird sterben. Auch wenn er sie nicht tötet, wird
sie sterben. Es ist still im Haus, und sie weiß, dass die anderen nicht mehr
am Leben sind.
    Ganz gleich, was er auch mit ihnen gemacht haben
mag. Jedenfalls sind sie tot.
    Inzwischen ist sie sich ganz sicher.
    „Wasser“, will sie sagen.
    Die Wörter steigen in ihr auf und zerplatzen in der
Luft wie Seifenblasen. Sie spricht in Seifenblasen, die emporschweben und
lautlos in der übelriechenden Hitze zerbersten.
    „Bitte, bitte.“ Die Wörter trudeln ins Leere, und
sie fängt an zu weinen.
    Ev schluchzt, und Tränen fallen auf das verdorbene
grüne Gewand auf ihrem Schoß. Sie weint, als wäre etwas Endgültiges geschehen
und als habe sich ein unvorstellbares Schicksal erfüllt. Dabei starrt sie auf
die dunklen Flecken, die ihre Tränen auf dem zerlumpten grünen Stoff
hinterlassen. Früher einmal ist es ein prachtvolles Gewand gewesen, das sie zum
Predigen getragen hat. Darunter liegt der kleine rosafarbene Schuh, ein linker
von Keds. Sie spürt den rosafarbenen Kleinmädchenschuh an ihrem Oberschenkel,
aber da ihr die Arme nach oben gezwungen werden, kann sie weder danach greifen
noch ihn besser verstecken, und ihre Trauer wächst.
    Sie lauscht den Grabegeräuschen unter ihrem Fenster,
und allmählich steigt ihr der Gestank in die Nase.
    Je länger das Scharren dauert, desto schlimmer
stinkt es im Zimmer, doch es ist anders als sonst: der widerwärtige, stechende
Verwesungsgeruch des Todes.
    Nimm mich zu dir, betet sie zu Gott. Bitte nimm mich zu dir. Zeig mir den Weg.
    Mühsam richtet sie sich auf und kniet sich hin. Das
Graben hört auf, fängt wieder an, verstummt erneut. Sie schwankt, fällt
beinahe, hält sich mit ihrer letzten Willenskraft aufrecht, taumelt, stürzt,
versucht es unter Tränen wieder, bis sie endlich steht. Der Schmerz ist so
stark, dass ihr schwarz vor Augen wird. Sie holt tief Luft, und das Gefühl legt
sich.
    Zeig mir den Weg, betet sie.
    Die dünnen Seile bestehen aus weißem Nylon. Einer
ist an dem Kleiderbügel befestigt, der auseinander gebogen und um ihre
entzündeten Handgelenke gewickelt ist. Wenn sie sitzt, sind ihre Arme über den
Kopf gestreckt. Im Stehen hat das Seil Spiel. Hinlegen kann sie sich nicht
mehr. Seine neueste Quälerei hat darin

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