Defekt
Hooters - übrigens nicht unbedingt ihre
liebste Restaurantkette - zu Abend aßen und aus unerklärlichen Gründen der Name
Kay Scarpetta fiel.
Die Hälfte der Jungs bei der
Polizei ist scharf auf sie, sagte
Reba.
Hä?, gab er zurück, und seine Miene veränderte sich.
Ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, sah er aus
wie ein wildfremder Mensch.
Davon weiß ich nichts, entgegnete er, und er klang gar nicht mehr wie der Marino,
den Reba so schätzen gelernt hatte.
Kennst du Bobby?, fragte sie, und inzwischen wünscht sie, sie hätte damals
den Mund gehalten.
Marino rührte Zucker in seinen Kaffee. Das sah sie
bei ihm zum ersten Mal. Er hatte ihr erzählt, dass er keinen Zucker mehr isst.
Es war der erste Mordfall, bei dem wir zusammengearbeitet
haben, fuhr sie fort. Dr. Scarpetta war da, und als sie alles
vorbereitete, um die Leiche in die Autopsie bringen zu lassen, flüsterte Bobby
mir zu: „Um von ihr mal angefasst zu werden, dafür lohnt es sich fast, zu
sterben.“ Und ich meinte: „Okay, aber wenn du stirbst, werde ich dafür sorgen,
dass sie dir auch den Schädel auf sägt. Ich bin nämlich zu neugierig, ob da
wirklich ein Gehirn drin ist.“
Marino trank seinen gesüßten Kaffee und betrachtete
die vollbusige Kellnerin, die sich vorbeugte, um die Salatschüssel abzuräumen.
Bobby hat von Scarpetta geredet, fügte Reba hinzu, nicht sicher, ob er sie auch verstanden
hatte. Sie fragte sich, warum Marino nicht lachte, sondern nur mit finsterer
Miene den Kellnerinnen in ihren knappen Dienst-Shorts auf Busen und Po
glotzte. Das war unsere
erste Begegnung, redete Reha nervös weiter, und damals dachte ich, dass ihr
beide vielleicht was miteinander habt. Ich war so erleichtert, als ich später
herausfand, dass das nicht stimmte.
Du solltest alle deine Fälle mit
Bobby bearbeiten, erwiderte Marino, eine
Bemerkung, die mit dem eben Gesagten nicht das Geringste zu tun hatte. Solange du keine Ahnung vom Geschäft
hast, solltest du keine Fälle allein aufklären. Am besten lässt du den Job als
Detective gleich wieder sausen. Offenbar hast du keine Ahnung, worauf du dich
da eingelassen hast. Es ist nämlich ganz anders als im Fernsehen.
Verlegen sieht Reba sich im Hangar um und kommt sich
überflüssig vor. Inzwischen ist es später Nachmittag. Die Spurensicherungsexperten
sind schon seit Stunden am Werk. Der graue Kombi steht auf einer Hebebühne.
Seine Fenster sind vom Superglue-Nebel beschlagen, die Teppiche wurden bereits
untersucht und gestaubsaugt. Auf der Matte unter dem Fahrersitz hat etwas
aufgeleuchtet. Vielleicht Blut.
Die Kriminaltechniker stellen Spuren an den Reifen
sicher. Mit Pinseln bürsten sie die Erde aus dem Profil auf weiße Papierblätter,
die sie dann zusammenfalten und mit leuchtend gelbem Asservatenband versiegeln.
Vor einer Minute hat einer der Kriminaltechniker, eine hübsche junge Frau, Reba
erklärt, man verwende keine Asservatendosen aus Metall, denn wenn man die
Spuren unter dem SEM ...
Dem was?, fragte Reba.
Einem Rasterelektronenmikroskop.
Aha, sagte Reba. Daraufhin hat die hübsche Spurensicherungsexpertin
ihr erklärt, dass man später unmöglich herausfinden könne, ob die
mikroskopischen Teilchen nicht vielleicht von der Dose stammten, wenn man
Spurenmaterial in Metallbehältern verschließe und bei der anschließenden
Untersuchung Metallteilchen sichergestellt würden.
Ein gutes Argument und außerdem eines, auf das Reba
niemals gekommen wäre. Die meisten Dinge, die die Spurensicherungsexperten
hier so treiben, sind böhmische Dörfer für sie, und sie fühlt sich unerfahren
und dumm. Also tritt sie zur Seite und denkt an Marinos Worte, sie solle nicht
allein in einem Fall ermitteln. Dabei erinnert sie sich an sein Gesicht und an
seinen Tonfall, als er das sagte. Dann betrachtet sie die Abschleppwagen, die
anderen Hebebühnen und die Tische mit Fotoausrüstung,
MCS-Forensischen-Lichtquellen, Leuchtpulver, Pinseln und Staubsaugern zum
Sichern von Faserspuren, Schutzkleidung von Tyvek, Superglue und Tatortkoffern,
die aussehen wie die großen schwarzen Kästen, in denen Angler ihre Köder
aufbewahren. Hinten im Hangar gibt es sogar einen Crash-Schlitten und Dummys.
Reba hört Marinos Stimme, und zwar so deutlich, als stünde er direkt neben ihr.
Es ist nämlich ganz anders als im
Fernsehen.
Er hatte kein Recht, so etwas zu ihr sagen.
Am besten lässt du den Job als
Detective gleich wieder sausen.
Im nächsten Moment hört sie seine Stimme
tatsächlich, und sie
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