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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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widersprechen.“
    „Man muss davon ausgehen, dass ärztliche Unterlagen,
Medikamentenverschreibungen, Kontendaten, Konsumgewohnheiten und alle
möglichen Informationen über das Privatleben vom FBI gesichtet werden, und zwar
alles im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus. Angesichts ihres nicht sehr
einvernehmlichen Abschieds vom FBI und der ATF hat Lucys Befürchtung leider
Hand und Fuß. Sie ist überzeugt, dass die Behörden alles, was sie finden, gegen
sie verwenden werden, und dass ihr dann eine Steuerprüfung, ein Entzug des
Pilotenscheins, eine Anzeige wegen Insiderhandels, eine Schmutzkampagne in den
Medien oder sonstige Unannehmlichkeiten drohen.“
    „Was ist mit deinem eigenen, auch nicht eben sehr
einvernehmlichen Abschied vom FBI?“
    Er zuckt die Achseln und tritt aufs Gas. Die sanft
dahintreibenden Schneeflocken scheinen kaum die Windschutzscheibe zu berühren.
    „Mir können sie nicht mehr viel antun“, gibt er
zurück. „Das wäre reine Zeitverschwendung. Viel mehr Sorge bereitet mir die
Vorstellung, dass da jemand mit einem Schrotgewehr herumläuft, das sich
eigentlich im Gewahrsam der Polizei von Hollywood befinden müsste oder
vernichtet hätte werden sollen.“
    „Wie kommt Lucy an verschreibungspflichtige
Medikamente, wenn sie solche Angst davor hat, dass ihre Daten irgendwo
gespeichert werden könnten?“
    „Sie hat allen Grund, sich Sorgen zu machen. Das
sind keine Wahnvorstellungen. Das FBI hat Zugriff auf alle beliebigen Daten,
selbst wenn man dazu eigentlich eine gerichtliche Anordnung brauchte. Wie,
glaubst du, läuft es ab, wenn das FBI eine Genehmigung von einem Richter
anfordert, der zufällig von der derzeitigen Regierung ernannt worden ist?
Einem Richter, der Konsequenzen befürchten muss, falls er nicht kooperiert? Da
könnte ich dir etwa fünfzig mögliche Szenarien entwerfen.“
    „Früher war Amerika so ein schönes Land.“
    „Was wir konnten, haben wir für Lucy intern
geregelt“, sagt er.
    Er spricht weiter über McLean und versichert
Scarpetta, Lucy hätte sich kein besseres Krankenhaus aussuchen können, denn
schließlich pflege man hier Kontakte mit den besten Ärzten und Wissenschaftlern
des ganzen Landes, ja, sogar der gesamten Welt. Aber das kann sie nicht
trösten.
    Inzwischen haben sie Cambridge erreicht und fahren
an den alten Prachtvillen in der Brattie Street vorbei.
    „Für nichts, einschließlich ihrer Medikamente,
musste sie den normalen Dienstweg einhalten. Es gibt keine Aufzeichnungen,
solange niemand einen Fehler macht oder sich verplappert“, erklärt Benton.
    „Irren ist menschlich. Schließlich kann Lucy nicht
den Rest ihres Lebens mit der Angst verbringen, dass möglicherweise jemand von
ihrem Gehirntumor erfährt und dass sie deswegen einen Dopamin-Agonisten
einnehmen muss. Oder dass sie eine Operation hinter sich hat, falls es dazu
kommt.“
    Diese Worte kommen ihr nur schwer über die Lippen.
Auch wenn die Entfernung eines Tumors der Hirnanhangdrüse laut Statistik fast
immer komplikationslos verläuft, gibt es keine absolute Sicherheit.
    „Es ist kein Krebs“, sagt Benton. „In diesem Fall
hätte ich es dir auch gegen ihren Willen erzählt.“
    „Sie ist meine Nichte. Ich habe sie großgezogen wie
eine Tochter. Du bist nicht berechtigt, folgenschwere Entscheidungen über ihre
Gesundheit zu fällen.“
    „Du weißt besser als jeder andere, dass Tumore der
Hirnanhangdrüse nicht selten sind. Studien zufolge haben schätzungsweise
zwanzig Prozent der Bevölkerung einen, ohne an Symptomen zu leiden.“
    „Abhängig vom Auftraggeber der Studie. Zehn Prozent.
Zwanzig Prozent. Die können mir mit ihrer Statistik mal den Buckel
runterrutschen.“
    „Sicher sind dir bei Autopsien auch schon welche
untergekommen, ohne dass der Betroffene etwas davon geahnt hat, weil er
nämlich nicht wegen eines Tumors der Hirnanhangdrüse bei dir auf dem Tisch
gelandet ist.“
    „Aber Lucy weiß, dass sie einen hat. Außerdem
basieren die Zahlen auf Untersuchungen mit Menschen, die winzige und
symptomfreie Adenom-Tumore hatten. Bei der letzten Computertomographie war
Lucys Tumor zwölf Millimeter groß, und außerdem leidet sie an Symptomen. Sie
muss Medikamente zur Senkung ihres erhöhten Prolaktinspiegels einnehmen, und
zwar für den Rest ihres Lebens, wenn sie den Tumor nicht entfernen lässt.
Gewiss bist du dir über die Risiken im Klaren, falls die Operation scheitert
und man den Tumor nicht herausnehmen kann.“
    Benton biegt in seine Auffahrt ein

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