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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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dreht sich erschrocken um.
    Marino geht, den Kaffeebecher in der Hand, an ihr
vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
    „Gibt's was Neues?“, erkundigt er sich bei der
hübschen Spurensicherungsexpertin, die gerade ein gefaltetes Blatt Papier
zusammenklebt.
    Er mustert den Wagen auf der Hebebühne und benimmt
sich, als wäre Reba ein Schatten an der Wand oder eine Fata Morgana auf dem
Highway, also eigentlich gar nicht wirklich vorhanden.
    „Vielleicht Blut im Innenraum“, antwortet die
hübsche Spurensicherungsexpertin. „Jedenfalls etwas, das auf Luminol reagiert
hat.“
    „Kaum gehe ich mir einen Kaffee holen, verpasse ich
etwas. Und Fingerabdrücke?“
    „Wir haben den Wagen noch nicht wieder aufgemacht.
Das wollte ich gleich erledigen.“
    Die hübsche Spurensicherungsexpertin hat langes
Haar, das dunkelbraun schimmert und Reba an das Fell eines Pferdes erinnert.
Außerdem hat sie wunderschöne, makellose Haut. Was würde Reba dafür geben, so
eine Haut zu haben und all die Jahre in der Sonne Floridas ungeschehen machen
zu können. Inzwischen ist da nichts mehr zu retten, und da verrunzelte Haut
blass noch schlimmer aussieht als gebräunt, sonnt sie sich weiter. Als sie die
glatte Haut der hübschen Spurensicherungsexpertin und ihre jugendliche Figur
betrachtet, würde sie am liebsten losheulen.
     
    Das Wohnzimmer ist mit einem Dielenboden, mahagonivertäfelten
Türen und einem bereits mit Brennholz bestückten offenen Marmorkamin
ausgestattet. Benton kauert sich davor und zündet ein Streichholz an. Ein
Rauchfähnchen kräuselt sich aus dem trockenen Reisig.
    „Johnny Swift hat seinen Abschluss an der Harvard
Medical School gemacht und seine Facharztausbildung am Massachusetts General
Hospital und in der Neurologie von McLean absolviert“, erklärt er, steht auf
und kehrt zum Sofa zurück. „Vor ein paar Jahren hat er eine Praxis in Stanford
und eine zweite in Miami eröffnet. Wir haben Lucy an Johnny überwiesen, weil er
in McLean einen Ruf als ausgezeichneter Arzt genoss und sich außerdem ganz in
ihrer Nähe niedergelassen hatte. Er wurde ihr Neurologe und, wie ich glaube,
auch ein guter Freund.“
    „Sie hätte es mir sagen müssen.“ Scarpetta begreift
es immer noch nicht. „Wir untersuchen seinen Tod, und sie behält einen so
wichtigen Umstand für sich?“ Sie versteht die Welt nicht mehr. „Vielleicht
wurde er sogar ermordet, und sie schweigt einfach?“
    „Er war ein Selbstmordkandidat, Kay. Das schließt
zwar einen Mord nicht aus, aber er litt bereits während seiner Zeit in Harvard
an Stimmungsschwankungen und ließ sich ambulant am McLean Hospital behandeln.
Man diagnostizierte eine bipolare Störung, gegen die er Lithium einnahm. Wie
ich schon sagte, war er in McLean gut bekannt.“
    „Du brauchst nicht ständig zu rechtfertigen, dass er
ein fähiger und mitfühlender Arzt und nicht nur ein Zufallsgriff aus dem
Telefonbuch war.“
    „Er war mehr als fähig, und wir haben ihn sicherlich
nicht willkürlich ausgewählt.“
    „Wir untersuchen seinen Tod, der unter sehr
mysteriösen Umständen eingetreten ist“, wiederholt Scarpetta. „Und Lucy kann
nicht so ehrlich sein, mir die Wahrheit zu sagen. Wie zum Teufel will sie in
ihrer Situation eine sachliche Entscheidung treffen?“
    Benton trinkt Scotch und starrt ins Feuer. Schatten
tanzen auf seinem Gesicht.
    „Ich bin nicht so sicher, dass es eine Rolle spielt.
Sein Tod hat nichts mir ihr zu tun, Kay.“
    „Woher willst du das so genau wissen?“, gibt sie
zurück.
     
    47
     
    Reba sieht zu, wie Marino die hübsche
Spurensicherungsexpertin beobachtet, die gerade den Pinsel auf ein sauberes
weißes Blatt Papier legt und die Fahrertür des Wagens öffnet. Er verschlingt
sie förmlich mit Blicken.
    Ganz dicht steht er neben ihr, während sie
Folienpäckchen mit Superglue aus dem Wageninneren holt und in die orangefarbene
Tonne für Sondermüll wirft. Schulter an Schulter beugen sie sich ins
Wageninnere und betrachten erst den vorderen, dann den hinteren Innenraum sowie
beide Seiten. Dabei stecken sie die Köpfe zusammen, ohne dass Reba sie
verstehen könnte. Als Marino etwas sagt, lacht die hübsche
Spurensicherungsexpertin auf. Reba fühlt sich scheußlich.
    „Ich kann an den Scheiben nichts erkennen“,
verkündet Marino und richtet sich auf.
    „Ich auch nicht.“
    Er geht in die Hocke und mustert noch einmal die
Innenseite der Tür hinter dem Fahrersitz, und zwar sehr gründlich, so als hätte
er etwas bemerkt.
    „Kommen

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